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Schaulaufen mit Spitzen
Bei der Industrie- und Handelskammer bekennen die Partei-Kandidaten Farbe
Sollte das Treffen der Spitzenkandidatinnen und -kandidaten ein Gradmesser für den Zustand des regierenden rot-rot-grünen Senatsbündnisses in Berlin gewesen sein, dann sieht es für eine Fortsetzung der Koalition aus SPD, Linken und Grünen sehr schlecht aus. Auf die Koalitionsfrage bei der Podiumsdiskussion der Industrie- und Handelskammer und des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) angesprochen, bekräftigt die Spitzenkandidatin der Grünen, Bettina Jarasch, erneut, dass es ihre Präferenz sei, das Mitte-links-Bündnis unter grüner Führung fortzusetzen. SPD-Konkurrentin Franziska Giffey will sich nach ihren zahlreichen Aussagen zu »roten Haltelinien« in der Wohnungs- und Verkehrspolitik lieber gar nicht mehr festlegen. »Ich habe großen Respekt vor diesem Wahlabend«, sagt sie stattdessen. Und Klaus Lederer? Der Spitzenkandidat der Linken sitzt in der Schlussrunde der Debatte zu Farbenspielen und Koalitionen schon nicht mehr auf seinem Platz im Podium; als Kultursenator hatte er die Runde eine halbe Stunde vor Ende verlassen müssen.
Dass Rot-Rot-Grün zuletzt Probleme hatte, Projekte wie das Mobilitätsgesetz oder die Schulgesetznovelle zu verabschieden, ist bekannt (»nd« berichtete). Und im Wahlkampf ist es normal, dass sich die Parteien voneinander abgrenzen, um sich besser zu profilieren. Insofern ergab das erste Aufeinandertreffen der Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien wenig Erhellendes. Interessant war es dennoch, weil sichtbar wurde, wie die Chemie zwischen den Politikerinnen und Politikern ist. CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner etwa ließ durchblicken, dass eine »Kiwi-Koalition«, also Schwarz-Grün oder Grün-Schwarz, wegen der Positionen der Grünen zum Vergesellschaftungs-Volksentscheid »schwierig« sei. »Die Grünen sind ziemlich links in dieser Stadt«, sagt Wegner. Bettina Jarasch nimmt er von dieser Einschätzung aber ausdrücklich aus. Die Abneigung Wegners dürfte vom starken linken Flügel der Grünen indes erwidert werden.
Auch zwischen Klaus Lederer und Franziska Giffey sind die Differenzen offensichtlich. Besonders deutlich wird das beim Thema Wohnen und Mieten. »Der Mietenmarkt braucht eine massive Einbettung und Regelungen«, betont Lederer. So haben sich die Angebotsmieten in Berlin in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, da haben die Einkommen nicht mitgehalten, so der Linke-Politiker, der die Große Koalition, die von 2011 bis 2016 regierte, für die zu geringen Neubauzahlen verantwortlich macht.
Solche Spitzen triggern wiederum Giffey. Sie sagt, die Neubauhöchstzahlen von 2019 seien »die Ernte« aus den Bauverfahren der vorherigen Legislatur. Um die Neubauzahlen weiter zu steigern, will die SPD auch die aktuell getrennten Ressorts Stadtentwicklung und Verkehr wieder zusammenführen - natürlich unter ihrer Führung. »Wir werden nicht allein mit städtischen Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften 20 000 Wohnungen pro Jahr bauen«, sagt Giffey. Das Geld, das bei einer Vergesellschaftung von großen Immobilienkonzernen fällig werden würde für die Entschädigung, will die SPD-Spitzenkandidatin lieber in den Wohnungsbau stecken.
»Das ganze Thema Enteignung muss vom Tisch«, zetert auch CDU-Mann Wegner. Als Steigbügelhalter eines bürgerlichen Bündnisses von SPD und CDU bietet sich am Mittwoch die FDP an. »Mir ist am Ende ein Volk von Eigentümern lieber als Volkseigentum«, sagt FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja. Der Liberale erklärt, dass er das Eigentum »nicht nur für Superreiche« fördern möchte. Seine Partei empfiehlt Czaja als Vermittler: »Wir müssen dringend in dieser Stadt nicht die Auseinandersetzung weiter forcieren, sondern die Konflikte moderieren.«
Aber ist die grassierende Verdrängung von Menschen aus der Innenstadt durch zu hohe Mieten nicht schon Eskalation pur? »Einen solchen Volksentscheid gibt es nur, weil das Vertrauen weg ist«, klärt Bettina Jarasch die versammelte Wirtschaftselite auf. Und: »Sie haben nicht das Vertrauen der Mieterinitiativen.« Auch Klaus Lederer sagt: »Die Mieterinnen und Mieter werden enteignet durch eine Dynamik am Bodenmarkt, der kein Maß kennt.« Unterschiedlicher könnten die Einschätzungen zur Mietenpolitik und deren soziale Lösungsansätze kaum sein.
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