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Klimakrise als Gegenwart
Die Kenianerin und »Women in Exil«-Mitbegründerin Elizabeth Ngari über die Bedeutung von Migration und Mobilität
Elizabeth Ngari ist eine Macherin. Um gegen ihre Probleme und die der anderen Migrantinnen in Deutschland zu kämpfen, hat sie »Women in Exil« mitgegründet. Für die Organisation war sie am Donnerstag bei »Kontra IAA – Kongress für transformative Mobilität« in München: eine zweitägige Reihe von Workshops und Podiumsdiskussionen gegen die Internationale Automobilausstellung (IAA). Bei der Gegenveranstaltung hat die Autobranche nur beim Begriff »Konversion« Platz gefunden. Mobilität hingegen wurde hier global und umfassend verstanden: Innerhalb der Diskussion »Mobilität im Kontext globaler Ungleichheiten« hatte Ngari ihren Redebeitrag über Migration und Klimakrise gehalten.
»Der Krieg ist nicht der einzige Grund, weshalb Menschen ihr Land verlassen«, sagt die 63-Jährige. »Naturkatastrophen und Hunger sind auch Gründe, wegen denen Menschen fliehen – und diese sind mit der neokolonialen Ausbeutung und Zerstörung der Umwelt verbunden.« Ngari zufolge spielt die Autoindustrie hierbei eine große Rolle durch den Import von Metallrohstoffen aus dem globalen Süden, die sich in den Karosserien und Batterien der Kraftfahrzeuge befinden. Die Aktivistin wünscht sich weniger Autos – egal ob Verbrenner oder Elektroautos.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Wie die Demonstrierenden in München möchte auch sie der Klimakrise eine kollektive Art der Mobilität gegenüberstellen. Es gehe um politische Entscheidungen, aber auch um individuelle Verantwortung: »Warum sollen die Leute Autofahren für Strecken, die man mit einem Zug fahren kann?« Angesichts der hohen CO²-Emissionen, die im Straßenverkehr entstehen, findet sie das unverständlich. Und noch mehr in Hinblick auf den Autoverkehr in den Städten.
Die Aktivistin wohnt in Berlin und besitzt kein Auto. Sie ist der Meinung, davon gebe es schon zu viele in der Hauptstadt. Deswegen sei das Fahrradfahren für sie dort zu gefährlich. Stattdessen fährt Ngari gerne mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, auch wenn diese zu den Orten gehörten, wo es am häufigsten zu Racial Profiling durch die Polizei komme. »Natürlich« habe sie das auch schon am eigenen Leib erfahren dürfen. Sie ist schwarz.
Ngari ist mit ihren zwei Kindern 1996 aus Kenia nach Deutschland gekommen – heute sind sie erwachsene Frauen. Der Grund ihrer Migration war politische Verfolgung in ihrem Herkunftsland. Jedoch konnte sie damals kein Asyl in Deutschland erhalten: »Aus Sicht der deutschen Regierung gibt es keine Probleme in Kenia«. Mittlerweile hat sie eine Aufenthaltsgenehmigung, weil sie mit einem Deutschen verheiratet ist.
Die Aktivistin koordiniert jetzt das Büro von »Women in Exil« in Berlin. Als Büroleiterin hatte sie bereits in Kenia gearbeitet. Das Einleben in Deutschland fiel ihr jedoch nicht leicht. »In Afrika gibt es zum Teil völlig falsche Vorstellungen von Europa. Auch weil die NGOs vor Ort den globalen Norden als ein Paradies abbilden. Ich dachte, ich könnte hier schnell einen guten Job finden«, erzählt die Kenianerin. Doch sie verbrachte die ersten fünf Jahre in Deutschland in einem Flüchtlingsheim in Prenzlau. Ohne Privatsphäre, ohne Beschäftigung, ohne Perspektive. Eins wurde ihr im Laufe der Zeit immer klarer: Für das Leben in Deutschland musste sie kämpfen.
Am Anfang waren sie nur vier Frauen. Sie haben an die Türen des Flüchtlingsheims in Prenzlau sowie anderer Heime in Brandenburg geklopft. So haben sie die »Brandenburger Flüchtlingsinitiative« gegründet, um gegen die schlechten Bedingungen in den Flüchtlingslagern zu protestieren. Zu den alltäglichen Problemen zählten sexuelle Belästigungen, manchmal ging es auch um Vergewaltigungen. 2002 gründete Ngari dann »Women in Exil« mit, um sich und den anderen Migrantinnen einen würdigeren Raum für ihre Probleme zu schaffen.
Die Kenianerin zog 2004 nach Berlin um, inzwischen mit einem legalen Aufenthaltsstatus: »Dann bin ich noch aktiver geworden«. »Women in Exil« ist heute in ganz Deutschland vernetzt und wächst immer noch. Die Organisation führt unter anderem eine Kampagne, um Flüchtlingsheime abzuschaffen, und leistet Aufklärungsarbeit über die Rechte der Migrantinnen in solchen Strukturen. Ngari ist es dabei wichtig zu betonen, dass ihre Organisation keine humanitäre Hilfe leistet. Sie macht Aktivismus: »Wir nehmen die Probleme und machen einen politischen Kampf daraus.«
»Women in Exile« bietet Workshops zu Selbstermächtigung, Gesundheit, reproduktiven Rechten und aktuell auch zum Thema Klimakrise als Fluchtursache. Dieses Thema ist in der Organisation in letzter Zeit präsenter geworden. Mehrere Frauen aus Pakistan haben sich dem Verein angeschlossen: Klimaflüchtlinge. Pakistan ist heute eines der am meisten von den Folgen des Klimawandels betroffenen Länder. »Für die Menschen im globalen Süden stellt die Klimakrise die Gegenwart und nicht die Zukunft dar«, sagt die Kenianerin.
Neben der »Kontra IAA«-Konferenz hat Ngari an keiner der anderen Protestaktionen gegen die IAA teilgenommen. Direkt nach der Veranstaltung ist sie nach Zürich gereist, um einen weiteren Workshop über den Zusammenhang von Migration und Klimakrise zu geben. Danach fährt sie in den verdienten Urlaub. Natürlich mit dem Zug.
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