• Politik
  • Polizeieinsatz in Hamburger Schule

Nicht nur fixiert, sondern auch gewürgt

Nach Attacken Jugendlicher auf Polizisten an Hamburger Schule: Zweifel an Darstellung der Polizei

  • Guido Sprügel, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Geschichte ging durch die ganze Republik. Vor der Hamburger Ida-Ehre-Stadtteilschule kam es am 19. August zu einem handfesten Streit zwischen Jugendlichen. Involviert war ein polizeibekannter 13-Jähriger, der aber eine andere Schule besucht. Der zufällig vorbeiradelnde bürgernahe Beamte - in Hamburg »Cop4U« genannt - griff beherzt ein und trennte die Kontrahenten unter Einsatz von körperlicher Gewalt. Laut Pressemitteilung der Polizei »fixierte« er den Jungen am Boden. Daraufhin habe sich ein etwa 80-köpfiger Mob von Jugendlichen um den Beamten gebildet und ihn mit Tritten gegen den Kopf malträtiert. Schließlich seien zwölf Streifenwagen angerückt, um die Situation zu entspannen, so die Darstellung der Polizei.

Der Aufschrei war groß. Schulsenator Ties Rabe forderte »Härte« und »Konsequenz« gegen die Jugendlichen. »Bild« titelte: »Die Gewalt-Akte der Schul-Schläger«. Doch an der bisherigen Version der Ereignisse gibt es mittlerweile Zweifel. »Es hat ohne genaue Prüfung des Sachverhaltes eine einseitige Vorverurteilung der Schüler und Schülerinnen gegeben«, erklärt Sabine Boeddinghaus, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft. Ihre Partei hat im Netz aufgetauchte Videos des Vorfalls von dem international tätigen Kampfsportler und Ringrichter Jan Henning Bode prüfen lassen. Er sagte im Gespräch mit »nd«, bei genauer Betrachtung der Videos sei deutlich geworden, »dass der Einsatz des Beamten unverhältnismäßig war«. Bode weiter: »Es wurde nicht nur ein Fixier-, sondern zudem ein Würgegriff angewendet, der bei dem Betroffenen unweigerlich zu Atemnot führen muss.« Es sei deutlich zu erkennen, dass der Junge Atemnot hatte und mehrfach äußerte, er bekomme keine Luft mehr.

Den Vorwurf eines gewaltbereiten Mobs kann Bode ebenfalls nicht bestätigen. Zu Beginn hätten vielmehr gleich mehrere Jugendliche versucht, den Beamten durch Zureden von seinem harten Vorgehen abzubringen. Dann sei Panik unter den Jugendlichen aufgekommen, und es sei zu den Tritten gegen den Kopf des Polizisten gekommen. Durch seinen Fahrradhelm sei er jedoch geschützt gewesen. »Ohne die Tritte gutheißen zu wollen, sehe ich in diesem Fall auch die Angst der Schüler und Schülerinnen um den nach Luft ringenden Jungen«, erklärt Bode. Dem Kampfsportler, der auch Seminare für Security-Firmen gibt, ist zudem nicht klar, warum der Polizist überhaupt körperlich eingriff, ging er doch davon aus, dass der Jugendliche ein Messer bei sich führt. Ein Ruf nach Verstärkung und die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes hätten eher Mittel der Wahl sein müssen, meint Bode.

Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes wurde in Medienberichten bisher nicht gestellt. Die »Schläger der Ida-Ehre-Schule« standen und stehen am Pranger, obwohl Schüler mehrerer Schulen zugegen waren.

In Anfragen hat die Linke nun nachgehakt. Es gab jedoch nur die Auskunft, dass gegen elf Schüler Disziplinarmaßnahmen eingeleitet wurden. Details zum Vorgehen des Beamten wurden nicht mitgeteilt.

Der Elternrat der Schule hat sich Anfang September öffentlich positioniert. Er kritisiert ebenfalls die schnelle Vorverurteilung der Kinder und Jugendlichen. Viele Schüler hätten bei dem Einsatz den Eindruck gehabt, »dass der am Boden fixierte Jugendliche Hilfe bräuchte«, erklärten die Eltern. Sie würden nicht wollen, »dass unsere Kinder einfach vorbeigehen, wenn jemand schreit: Ich bekomme keine Luft!«

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