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Schwitzende Körper und volle Klokabinen
Das Nachtleben in den Berliner Clubs ist mit der 2G-Regel wieder voll erwacht
Der Bass treibt dumpf voran, es ist heiß und dunkel. Rauch steht in der Luft, dazwischen leuchtende Gesichter und schwitzende Körper, Menschenstimmen überlagern sich. So surreal es sich auch anfühlt, es ist doch wahr: Die Clubs sind wieder geöffnet. Damit kehrt das Nachtleben, die Essenz der Stadt, zurück.
Kürzlich entschied der Berliner Senat, die 2G-Regel einzuführen: Während gastronomische Betriebe und Kulturstätten wie Theater und Kinos selbst wählen dürfen, ob sie auch Getesteten Zutritt gewähren (3G), dürfen Clubs ihre Türen ausschließlich für Geimpfte oder Genesene öffnen (2G). Der Vorschlag der Clubcommission, PCR-Testungen als Zugangsschranke zu nutzen, war damit abgelehnt wurden. Dennoch: Nach einer schier endlosen Zeit ist es nun endlich wieder möglich, sich ohne Maske und Abstand in geschlossenen Räumen die Seele aus dem Leib zu tanzen.
Die Freitagnacht beginnt in Neukölln. Hier brechen die Bars beinahe auseinander. Hedonismus konnten die Berliner*innen schon immer, aber an diesem Wochenende scheint die Stimmung besonders aufgeregt. Vielerorts wird die Kontrolle des Impfnachweises an der Tür einfach vergessen. Nicht jedoch in der Kreuzberger Gay-Bar »Roses«. Hier nimmt man die 2G-Regelung sehr ernst. Der Türsteher inspiziert jeden Impfnachweis genau. QR-Codes sind das Ticket Richtung Freiheit auf der Tanzfläche. Schreitet man die kleine Treppe zum Eingang hinauf, wird man in eine flauschig-rosafarbene Parallelwelt gezogen, in der es nie eine Pandemie gegeben zu haben scheint. Dicht an dicht stehen die Menschen, lachen, reden, trinken und knutschen. Selbst der Barkeeper kann nicht aufhören zu grinsen. Für Kintee, einen Besucher des »Roses«, hat die Wiedereröffnung einen ganz besonderen Wert: »Was Berlin für Deutschland ist, ist das ›Roses‹ für Berlin. Mit Orten wie diesen steht und fällt das Nachtleben in Berlin«, sagt er. »Ich war vor Corona immer hier. Als all das plötzlich weggebrochen ist, war das sehr, sehr deprimierend.«
Auch Florian Winkler-Ohm, einer der Geschäftsführer des »Schwuz« im Neuköllner Rollbergviertel, betont die Wichtigkeit von queeren Räumen. »Die Corona-Pandemie war die größte Katastrophe, die die queere Community erlebt hat - nach der, die die Aids-Community erlebt hat.« Das mag nach einem schwierigen Vergleich klingen, sagt Winkler-Ohm, doch während der Aids-Krise seien immerhin noch die entsprechenden Schutzräume geöffnet gewesen. »In der Pandemie waren diese anderthalb Jahre lang einfach zu«, beschreibt er seine Erfahrungen. Es seien aber eben jene Schutzräume, erklärt er, die die Szene unbedingt brauche. »Viele Menschen leben sich nur innerhalb der Community aus und brauchen diese unbedingt, um so sein zu dürfen, wie sie sind.« Zudem hätten in den letzten Monaten Hass und Gewalt gegenüber queeren Menschen zugenommen. »Das zeigt, welche Wichtigkeit Orte wie das ›Schwuz‹ haben«, sagt Winkler-Ohm.
Das »Schwuz« lässt sich noch etwas Zeit mit der Wiedereröffnung. Aktuell wird umgebaut, denn am 27. Oktober eröffnet dort die neue Pepsi Boston Bar. Am 30. Oktober folgt dann die große Wiedereröffnungs-Party im »Schwuz« selbst - mit freiem Eintritt. »Es kommt nun auch darauf an, ob die Community zurückkommt und sich auf die 2G-Regel einlassen kann«, gibt der Geschäftsführer zu Bedenken.
Damit stellt er eine interessante Frage: Funktioniert es, nach all der isoliert verbrachten Zeit, mit einem Mal wieder ohne Hemmungen zusammen zu feiern? Um es herauszufinden, geht es nach dem »Roses« weiter zum »Golden Gate« in Mitte. Die Nacht schreitet voran, die Zeit verfliegt schnell, wenn der Abend gut ist. Und ja, es geht wieder: mitten in der Nacht spontan einen Club aufzusuchen, ohne Tage im Voraus ein Ticket dafür gebucht zu haben.
In der Schlange vor dem Club gelten die üblichen Regeln: Maske tragen und Abstand halten. Kaum hat man jedoch die Tür durchquert, ist all das vergessen. Menschen stehen dicht an dicht, tanzen eng beieinander und drücken sich zu sechst in winzig kleine Klokabinen. Es scheint alles wie früher. Angst davor sich anzustecken, ist nicht spürbar. Man feiert, als sei nichts gewesen.
Ob die 2G-Regelung gerecht ist, darüber will niemand reden. Solange sie es den Anwesenden ermöglicht, wieder feiern zu können, ist diese Debatte nebensächlich. Nach anderthalb Jahren Abstinenz scheint allen alles egal.
Die Clubs waren im vergangenen Jahr die ersten, die schließen mussten und sind nun die letzten, die wieder öffnen dürfen. Entsprechend groß war die Angst um die Clubszene der Hauptstadt. Doch nun erwacht das Nachtleben wieder und mit ihm ein durstiges Publikum, dass sich nach nichts mehr sehnt, als sich wieder vom Bass treiben zu lassen.
Nach all den Monaten mit Streaming-Sets auf der Heimanlage ist jeder Clubeindruck ein wahrer Genuss. Der Bass, die Gerüche, die Menschen - man hatte fast vergessen, wie sehr all das gefehlt hatte. Sobald die ersten Klänge aus der Anlage zu hören sind , sind selbst die letzten Berührungsängste erloschen. Berlin hat definitiv nicht vergessen, wie man tanzt.
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