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Der Erste

Zum Tod von Hans-Dieter Fritschler

Hans-Dieter Fritschler hatte keine Furcht: Er sprach als SED-Funktionär über Widersprüche und Selbstzweifel
Hans-Dieter Fritschler hatte keine Furcht: Er sprach als SED-Funktionär über Widersprüche und Selbstzweifel

Es war nicht weniger als eine Sensation, als 1988 das Buch »Der Erste« erschien: Zum ersten Mal wurde da ins Innenleben des SED-Apparats geblickt. Der Reporter Landolf Scherzer hatte sich jahrelang bemüht, den Ersten Sekretär einer SED-Kreisleitung in seinem Arbeitsalltag begleiten zu dürfen. Schließlich wurde es ihm gewährt: Vier Wochen war Scherzer an der Seite von Hans-Dieter Fritschler unterwegs, der gerade erst Chef der SED-Kreisleitung Bad Salzungen geworden war. Scherzers Buch, ein präziser Blick in den Maschinenraum der führenden Partei, wurde – allen Widerständen und Verhinderungsversuchen zum Trotz – ein aufsehenerregendes Ereignis.

Da ließ ein vermeintlicher Parteisoldat die ideologischen Einübungen sausen, ließ sich bei den Mühen der Ebenen zuschauen, sprach über Widersprüche, Selbstzweifel, Unzulänglichkeiten, stellte sich Fragen, wo ansonsten straffe Antworten die Regel waren. Andere hätten das nach Wende und deutscher Vereinigung zur persönlichen Reinwaschung benutzt; Fritschler blieb sich treu und arbeitete in der Thüringer PDS mit. Am Sonntag ist Hans-Dieter Fritschler im Alter von 80 Jahren gestorben. Wolfgang Hübner

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Mein lieber Hans-Dieter Fritschler, ich durfte dich HDF nennen. Und ich durfte dich damals 1987/88 mit ungefähr 77 000 Worten beschreiben. Was könnte ich heute in dieser unsagbar schweren Stunde des Abschieds über dich noch hinzufügen? Alle meine Worte über dich, über deine Bescheidenheit, deine ehrliche Aufopferung und deinen Mut sind noch gültig. Und auch all das, was du mir gesagt hast, gilt noch immer. Damals wie heute. Deshalb keine neuen Worte, keinen Nachruf von mir.

Ich möchte nur einige deiner Worte wiederholen, die du als mutiger Rufer in einer Zeit, in der andere keinen Widerspruch wagten oder duldeten, für unser Buch »Der Erste« gesagt hast: »Vielleicht haben wir als Partei auch selbst schuld, dass wir uns in so viele Alltagsdinge einmischen ... Du kannst dir als Schriftsteller Zweifel leisten, vielleicht brauchst du sie sogar zum Schreiben ... Der größte Fehler, den man machen kann, ist, sich als Parteifunktionär nicht mehr an eigene Fehler zu erinnern, in Versuchung zu kommen an die eigene Unfehlbarkeit zu glauben ...«

Bevor das Buch mit deinen damals ungewöhnlich ehrlichen Worten zum Druck freigegeben wurde, ordnete das selbstherrliche Mitglied des ZK der SED, der dogmatische Erste Sekretär der SED-Bezirksleitung Suhl, Hans Albrecht, an, dass du alles widerrufst. Um eine Veröffentlichung zu verhindern, solltest du zu Protokoll geben, dass deine Worte in meinem Manuskript verfälscht oder erfunden worden sind. Du hast damals ohne Angst vor Konsequenzen gewagt, dich diesen inquisitorischen Anweisungen zu widersetzen und stattdessen gesagt: »Alles ist wahr! Es sind meine, nur meine Worte.«

Danke für deinen Mut, danke für deine Worte, die ich nie vergessen habe und nie vergessen werde. Danke, mein lieber Freund HDF. Landolf Scherzer

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