Auf FDP und Grüne kommt es an

Nach der Bundestagswahl sind eine Ampel-Koalition oder Schwarz-Grün-Gelb mögliche Optionen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 5 Min.

Die Große Koalition galt nie als Wunschbündnis von Union und SPD. Trotzdem regiert Schwarz-Rot seit bald acht Jahren in der Bundesrepublik. Ein Grund hierfür ist, dass andere Bündnisse in der Vergangenheit nicht zustande kamen und letztlich nur noch eine Option übrig blieb. Nun soll alles anders werden. Als am Sonntagabend die Hochrechnungen für die Bundestagswahl bekannt wurden, erklärten sowohl der siegreiche SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz als auch der zweitplatzierte CDU-Chef Armin Laschet, eine Regierung mit Grünen und FDP bilden zu wollen.

Das führt zu der ungewöhnlichen Situation, dass sich die beiden kleineren Partner in einer komfortablen Lage befinden. Union und SPD werden in nächster Zeit viel tun, um Grüne und FDP zu umwerben. Die beiden Parteien werden sich wahrscheinlich auch untereinander absprechen. Der Vorstand der FDP beschloss am Montag «Vorsondierungen» mit den Grünen. Offensichtlich wollen die Freien Demokraten, dass sich ein Szenario wie vor vier Jahren nicht wiederholt. Damals waren die Gespräche zwischen Union, FDP und Grünen gescheitert. Die Freien Demokraten hatten Sorge, dass sie in dieser Konstellation nicht genug von ihren Inhalten umsetzen könnten.

Nun scheint der Regierungswille der FDP größer zu sein. Anfang August dachte der Parteivorsitzende Christian Lindner in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» laut darüber nach, unter welchen Bedingungen es nach der Bundestagswahl zu einem Bündnis mit Union und Grünen kommen könnte. «Käme es dazu, dann würde die FDP Wert darauf legen, den Finanzminister zu stellen», sagte Lindner. «Ein Klima- und Umweltministerium würden dann vermutlich die Grünen beanspruchen», fügte er hinzu. Die Parteiführung der Grünen wollte sich damals nicht zu dem Vorstoß von Lindner äußern. Doch bald werden solche Ideen wohl konkret besprochen.

Die Gespräche dürften kompliziert werden. Lindner möchte lieber mit der Union zusammengehen. Laschet hat bereits seine Fühler ausgestreckt. Noch am Wahlsonntag traf sich der Kanzlerkandidat der Union mit Lindner, um mit ihm ein langes Gespräch über mögliche Sondierungen für eine Regierungsbildung zu führen. Bei der Vorstandssitzung der CDU am Montag kündigte Laschet laut Teilnehmern außerdem an, er werde im Laufe des Tages mit der Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock sprechen. Über Inhalte des Gesprächs mit Lindner wurde zunächst nichts bekannt. Allerdings ist es auch nicht ausgeschlossen, dass die FDP letztlich einer Koalition mit SPD und Grünen zustimmt. Die Freien Demokraten würden sowohl Einladungen der Sozialdemokraten als auch der Union über weitere Gespräche annehmen, «wenn sie denn kommen», erklärte Lindner am Montag.

Grüne und SPD wollen Ampel-Koalition

Anders als die FDP tendieren die Grünen deutlich zu den Sozialdemokraten. «Wir stehen der SPD näher als der Union», sagte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner am Montag vor einer Sitzung des Grünen-Vorstands in Berlin. «Die Wählerinnen und Wähler wollten Olaf Scholz, Armin Laschet hat schwache Werte.» Trotzdem sei man bereit, «mit allen demokratischen Parteien» zu reden, betonte Kellner. Bereits jetzt ist klar, dass die potenziellen Partner den Grünen Angebote beim Klimaschutz machen müssten, um sie mit ins Boot zu holen. Die FDP dürfte auf Steuererleichterungen und sogenannten Bürokratieabbau für Unternehmen bestehen.

Scholz ist nach seinem Wahlerfolg selbstbewusst genug, um sich die Führung einer Koalition mit Grünen und FDP vorzustellen. «Ich glaube, dass die Sondierungen nicht zu lange gehen sollten», erklärte Scholz am Montag in Berlin nach Beratungen des SPD-Präsidiums. Vielmehr solle man nach ersten Abstimmungen dann bald «in Koalitionsverhandlungen gehen, die auch zu Ergebnissen führen».

Das Verhältnis zwischen FDP und Grünen ist schwierig. Lindner sagte mit Blick auf die vorhandenen Koalitionsmöglichkeiten, es gebe zwischen Grünen und FDP «die größten inhaltlichen Unterschiede». Daher mache es Sinn, dass die beiden Parteien zuerst miteinander sprächen. Grüne und FDP seien aber auch die Parteien, die sich am stärksten gegen den Status quo der Großen Koalition« gewandt hätten.

Keine Mehrheit im Bundestag hat eine rot-grün-rote Koalition, die vor allem von der Führung der Linkspartei kurz vor der Wahl immer wieder ins Gespräch gebracht worden war. Scholz stand dieser Idee ohnehin immer distanziert gegenüber. Ein Grund hierfür sind die Differenzen zwischen SPD und Linkspartei in der Außenpolitik. Der Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten verlangte von der Linken ein »Bekenntnis zur Nato«. Dagegen sendete Scholz im Wahlkampf freundliche Signale in Richtung FDP. So monierte er Ende August in einem Interview mit der »Süddeutschen Zeitung«, dass sich Union und Grüne nach der Bundestagswahl 2017 nicht sehr viel Mühe gegeben hätten, »ein echtes Dreierbündnis zustande zu bringen«. Letztlich hätten Union und Grüne untereinander verhandelt und der FDP nur eine Nebenrolle zugedacht. Damit wollte Scholz den Freien Demokraten auch signalisieren, dass er ihre Interessen in einer möglichen Koalition sehr ernst nehmen würde.

Die Schwäche der Linkspartei dürfte Scholz ins Konzept passen. Weil Rot-Grün-Rot nun keine Rolle mehr spielt, muss er keine Auseinandersetzungen mit dem linken SPD-Flügel über Bedingungen für ein mögliches Mitte-links-Bündnis mehr fürchten.

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