Plötzlich ging das Licht aus

Mehrere Regionen Chinas werden derzeit von Stromausfällen geplagt. Diese sind nicht kurzfristig zu beheben

  • Fabian Kretschmer, Peking
  • Lesedauer: 3 Min.

Nachdem in einer Stahl- und Eisengießerei im nordostchinesischen Liaoning ohne Vorwarnung der Strom abgedreht wurde, mussten sich am Montagmorgen mindestens 23 Menschen wegen starker Gasvergiftungen ins Krankenhaus einliefern lassen. Auch unzählige Nutzer auf sozialen Medien berichten von Kohlenmonoxid-Vergiftungen, nachdem in ihren Häusern mitten in der Nacht die elektrischen Abgasanlagen ausfielen.

In mindestens zehn Provinzen kommt es dieser Tage in China immer wieder zu Stromausfällen. Zunächst traf es vor allem Fabriken, die ihre Produktion einstellen mussten. Mehrere Zulieferer von Apple und Tesla im ostchinesischen Kunshan haben ihre Produktion bis mindestens Freitag suspendiert, was laut dem japanischen Nachrichtenmagazin »Nikkei Asia« unter anderem die Herstellung von iPhones bedrohen könnte.

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Auf sozialen Medien lassen sich die Folgen des Strommangels beobachten: Einige Läden begrüßen ihre Kunden bei Kerzenlicht, Shoppingcenter schließen früher als sonst, Büros im tropischen Süden des Landes verzichten weitestgehend auf Klimaanlagen, und in der Provinz Guangdong sollen die Angestellten innerhalb der ersten drei Stockwerke nicht mehr den Aufzug benutzen.

Spätestens seit Sonntagabend jedoch schwappte die Energieknappheit von der Arbeitswelt auf den Alltag der Menschen über: So kam es nicht nur in mehreren Städten zu Stromausfällen in Wohnanlagen, auch Ampelanlagen und Straßenbeleuchtungen sind teilweise ausgefallen, was zu Verkehrschaos geführt hat. All das beweist, wie ernst die Lage ist.

Die Gründe für die Stromausfälle sind zumindest teilweise hausgemacht. So möchte die Regierung in Peking einerseits die Emissionen im Land drastisch reduzieren und verlangt von Lokalregierungen, ihren Energieverbrauch zu drosseln. Schließlich hatte Staatschef Xi Jinping im vergangenen Jahr erst angekündigt, bis 2060 Klimaneutralität erreichen zu wollen. Fast alle Provinzen haben die ausgegebenen Ziele für das laufende Jahr jedoch deutlich überschritten, was nun den Druck erhöht, den Konsum stark zurückzufahren.

Doch wie das in Peking erscheinende Wirtschaftsmagazin»Caijing« berichtet, ist die Hauptursache des Stromproblems eine tatsächliche Energieknappheit, insbesondere von Kohle. Dies wiederum hat mehrere Gründe: Im Zuge eines Handelsstreits mit der australischen Regierung hat Chinas Staatsführung angeordnet, die Kohleimporte vom fünften Kontinent drastisch zurückzufahren.

Zudem ist die Kohlezufuhr aus der Kernregion der Inneren Mongolei stark eingebrochen, nachdem die Aufsichtsbehörden dort in den letzten Monaten eine strikte Anti-Korruptions-Kampagne lanciert hatten. Und nicht zuletzt steigt die Nachfrage für Heizenergie im Nordosten der Volksrepublik, nachdem es dort früher als gewöhnlich zu winterlichen Temperatureinbrüchen kam.

All dies ist eine bedrohliche Gemengelage für die Energiesicherheit des Landes. Dass sich die Situation bald entspannen wird, scheint unrealistisch. Schließlich ist die Stromerzeugung in vielen chinesischen Kraftwerken auch deshalb zurückgegangen, weil die Rohstoffpreise derzeit auf Rekordniveau sind.

Mehrere Finanzdienstleister haben ihre Wirtschaftsprognosen für die Volksrepublik für das laufende Jahr bereits leicht nach unten korrigiert. Die Analysten der japanischen Nomura-Holding gingen noch vor wenigen Tagen von einem Anstieg des chinesischen Bruttoinlandsprodukts von 8,2 Prozent aus, nun rechnet man noch mit 7,7 Prozent - und hält weitere Anpassungen für durchaus denkbar.

Am ernstesten ist die Lage in der chinesischen Region Dongbei, dem kontinental geprägten äußersten Nordosten des Landes. In der dort gelegenen Provinz Jilin berichteten lokale Medien, dass sich die Bevölkerung bis in den März kommenden Jahres hinein auf weitere Einschränkungen bei der Strom- und Wasserversorgung einstellen soll. Der Gouverneur der Provinz hat allerdings gemahnt, dass trotz der angespannten Lage Stromausfälle unbedingt vermieden werden müssen. Denn bei Minustemperaturen von über 20 Grad in der Nacht könnten diese im bevorstehenden Winter für Millionen Einwohner der Provinz sogar regelrecht lebensbedrohlich werden.

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