Berliner Kliniken: Woche der Entscheidungen

Gespräche im Tarifkonflikt zwischen Verdi und landeseigenen Krankenhäusern sollen Ergebnisse bringen

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.
Franziska Giffey sucht den Kontakt zu streikenden Klinikmitarbeiter*innen.
Franziska Giffey sucht den Kontakt zu streikenden Klinikmitarbeiter*innen.

Franziska Giffey (SPD) wird in der Zionskirche sicher nicht nur Gratulationen zum Wahlsieg erhalten. Um 13 Uhr am Dienstag will die wohl zukünftige Regierende Bürgermeisterin dort mit streikenden Beschäftigten der Berliner Krankenhäuser sprechen, und es geht um alles: »Es ist die Woche der Entscheidungen«, sagt Anja Voigt, Intensivkrankenschwester am Vivantes-Klinikum Neukölln und Mitglied der Verdi-Tarifkommission bei einem frühen Pressegespräch am selben Tag. »Uns wurde vor den Wahlen viel versprochen, die Politik ist jetzt gefordert, das Thema in den Koalitionsverhandlungen aufzunehmen«, erklärt Voigt und erinnert an die zahlreichen Unterstützungsbekundungen, die die Streikenden im Vorfeld der Wahl und nach Ablauf des »100-Tage-Ultimatums« vor allem von Politiker*innen der vergangenen rot-rot-grünen Regierungskoalition erhalten hatten.

Es ist Tag 20 in einem Arbeitskampf, den die Beschäftigten weiter ge- und entschlossen führen, auch das macht Voigt deutlich. »Es sind über 1000 Kolleg*innen im Streik und es sind noch einmal mehr als in der vergangenen Woche«, berichtet die Gewerkschafterin. Viele seien nicht nur weiterhin sehr kämpferisch, sondern nach wie vor auch »sehr wütend« darüber, wie wenig Wertschätzung ihnen von Seiten der Arbeitgeber auch in den Tarifgesprächen entgegengebracht werde.

Damit ist vor allem die Vivantes-Unternehmensführung gemeint. In den Verhandlungen um einen Tarifvertrag Entlastung habe es immer wieder Aussagen gegeben, die darauf deuten würden, dass man die Beschäftigten nicht ernst nehme, sagt Voigt. Es sei dennoch möglich, »zu guten Abschlüssen zu kommen«, zeigt sie sich überzeugt.

»Es liegt noch ein großes Stück Weg vor uns«, sagt dazu Tim Graumann, Verhandlungsführer für den Tarifvertrag Entlastung beim Vivantes-Mutterunternehmen. Die Verhandlungen seien »sehr zäh« verlaufen. Das Eckpunktepapier, das der Vivantes-Konzern am Freitag auf dem Tisch gelegt hatte, habe zu einem klarem Votum für eine Fortführung des Streiks geführt, weil darin keine ausreichende Verbindlichkeit bei der Umsetzung des Tarifwerks zum Ausdruck gekommen sei. Nun gehe man nach Sondierungen am Montag in den kommenden drei Tagen erneut in Gespräche. »Wir haben uns immerhin einigen können, dass wir über einen Tarifvertrag Entlastung sprechen, wie wir von Verdi ihn uns vorstellen«, erklärt Graumann zum Fortschritt. Zugleich liege man bei konkreten Punkten weit auseinander. So fordere der Vivantes-Konzern mit 12 Schichten mehr als doppelt so viele Einsätze unter Belastung für einen Ausgleichstag wie die Charité mit fünf. Bei den Vivantes-Azubis sollen es sogar 48 Schichten unter Stress und Personalmangel sein, bis sie einen freien Tag erhalten. »Stellen Sie sich das einmal vor«, zeigt sich Graumann ernstlich erschüttert.

Am Montagnachmittag sieht es allerdings nach weiteren Hindernissen aus. Auf dem Nachrichtenportal Twitter vermeldet das Bündnis Gesundheit statt Profite, dass der Vivantes-Konzern den Gesprächstermin abgesagt habe und beklagt die »Hinhaltetaktik« des Unternehmens.

Man müsse eine gewisse »Ungleichzeitigkeit« bei den Verhandlungsständen konstatieren, erklärt auch Melanie Guba, die für Verdi in der Tarifkommission an der Charité sitzt. Hier sei man demnach deutlich weiter und habe sich bei der Mindestpersonalbesetzung, Freizeitausgleich und Ausbildungsverbesserungen angenähert. Unklar sei aber, wie die Personalsituation konkret verbessert werden soll.

Besonders schwierig bleibt die Verhandlungssituation bei den Vivantes-Tochterunternehmen. Nachdem mit den Medizinischen Versorgungszentren und dem Labor Berlin zwei Betriebe von den Verhandlungen um einen Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes ausgeschlossen wurden, ist die Stimmung düster. In der vergangenen Woche sei man in einem »Eklat« geendet, erklärt Verdi-Verhandlungsführer Ivo Garbe. Man habe die Arbeitgeber seitdem bereits zweimal an den Verhandlungstisch gebeten – bisher ohne Rückmeldung.

»Raed Saleh hat gesagt: ›Es wird eine Refinanzierung geben‹«, erinnert Tim Graumann an Zusagen nur eines hochrangigen Landespolitikers (SPD). Man komme in den Koalitionsverhandlungen an den Forderungen der Beschäftigten nicht vorbei.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -