Werbung

Parteilinke hält bisher stand

US-Demokraten streiten intern über die Biden-Agenda

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist ein Rollentausch bei den US-Demokraten und es ist eine Konsequenz der langsamen Linksdrift der Partei in den vergangenen Jahren: Die konservativen Abgeordneten der Demokraten sind jetzt die Buhmänner. Im parteiinternen parlamentarischen Tauziehen um die Verabschiedung der Biden-Agenda - im Kern ein milliardenschweres Wirtschaftsförderungs- und Infrastrukturpaket - sind selbst die Zentristen in der Partei zunehmend genervt vom Verhalten der Konservativen: Zu ihnen gehören weniger als ein Dutzend Abgeordnete im Repräsentantenhaus und die Senatoren Joe Manchin und Kyrsten Sinema. »Ehrlich gesagt mache ich den Progressiven keinen Vorwurf, dass ihr Verdacht ist, dass Manchins Zahl null ist«, so der Demokraten-Abgeordnete Jim Himes, ein Mitglied der wirtschaftsnahen New-Democrat-Abgeordnetenvereinigung zur Online-Zeitung »Politico«.

Seit Wochen sagt Manchin, die geplanten 3500 Milliarden Dollar verteilt über zehn Jahre seien »zu hoch«, will aber nicht sagen, welcher Mittelhöhe er denn zustimmen will. Das hatte die Parteilinke vorhergesehen. Deshalb hatte sie von Präsident Biden, Senatsmehrheitsführer Chuck Schumer und Repräsentantenhaussprecherin Nancy Pelosi die Zusage ausgehandelt, das Lieblingsprojekt der Konservativen, ein parteiübergreifend ausgehandeltes Gesetzespaket zu »harter« Infrastruktur, nur zusammen mit einem größeren Gesetzespaket abzustimmen; letzteres enthält die übrige Biden-Agenda und weitere progressive Vorhaben.

Diese Zusage hat Pelosi nun gebrochen. Unter dem Druck von Manchins Verbündeten im Repräsentantenhaus hat sie zugestimmt, am Donnerstag doch zuerst über das überparteiliche Infrastrukturpaket abstimmen zu lassen. Die Angst der Parteilinken: Sollte sie diesem zustimmen, könnten Manchin und Sinema hinterher dem Gesetz zur Biden-Agenda nicht zustimmen, weil sie ja erreicht haben, was sie wollten. Öffentlich bestreitet man dies, aber die konservative und lobbynahe Abgeordnetenvereinigung »Problem Solver Caucus« warb gegenüber Industriespendern, man könne das Gesetz zur Biden-Agenda vom Infrastrukturpaket entkoppeln und »töten«.

Damit stellt sich die Frage, ob sich nun alte Muster aus der Vergangenheit wiederholen und die Parteilinke umfällt, also dem parteiübergreifenden Infrastrukturpaket zustimmt, um so zumindest kleine Verbesserungen zu erreichen als gar nichts. Anders als in der Vergangenheit ist die Progressiven-Vereinigung aber durch striktere interne Regeln besser organisiert.

Eine interne Umfrage hat ergeben, dass eine Mehrheit und über 60 der 94 Mitglieder der Parteilinkenvereinigung Progressive Caucus am Donnerstag mit Nein stimmen wollen, um den Druck auf Manchin und Sinema und die Konservativen zu erhöhen, wie auch Bernie Sanders lautstark fordert. Laut einer Aufstellung des progressiven Magazins »The Prospect« haben 24 Demokraten-Abgeordnete öffentlich erklärt, am Donnerstag mit »Nein« stimmen zu wollen. Beides würde reichen, um das Lieblingsprojekt der Konservativen scheitern zu lassen, selbst wenn ein Dutzend Republikaner zustimmen, weil die Demokraten nur eine Mehrheit von vier Stimmen im Repräsentantenhaus haben.

Eine Ironie der Geschichte ist, dass viele Parteilinke sich rhetorisch jetzt als Biden-Jünger inszenieren, auch wenn sie vielleicht schon morgen Biden wieder von links unter Druck setzen werden. Es gehe um die Biden-Agenda nicht darum, eine linke Wunschliste umzusetzen, erklärt Pramila Jayapal, Anführerin der Progressive Caucus in jede Fernsehkamera, die sie findet. Das hat Eindruck hinterlassen: Im linksliberalen Quasi-Parteisender MSNBC, der noch in der Präsidentschaftsvorwahl gegen Sanders und realitätsfremde Progressive ätzte, lobt man die Progressiven nun für ihre Standhaftigkeit.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -