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Der erste Schritt
Die Separatistengebiete in der Ostukraine schaffen Zollkontrollen ab
Sie werden oft wie eine Einheit wahrgenommen und treten auch bei den Minsker Friedensgesprächen zumeist geschlossen auf: Doch zwischen den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk in der Ostukraine war das Verhältnis oft angespannter, als es von außen den Anschein hatte. Die ersten Präsidenten der beiden prorussischen Separatistengebiete stritten erbittert über Transportwege, Transit- und Zollfragen. Schließlich entstand zwischen Donezk und Luhansk sogar eine echte Staatsgrenze, an der auch sporadische Zollkontrollen stattfinden. Moskau, das bei strategischen Fragen stets das letzte Wort hat, ärgerte sich über die eigenwilligen Regierungschefs der ersten Generation. Figuren wie das Donezker Oberhaupt Alexander Sachartschenko passten mit ihrer Kriegsrhetorik und der grün-braunen Tarnkleidung nicht mehr ins Bild, nachdem sich der heiße Krieg im Donbass auf Auseinandersetzungen an der sogenannten Kontaktlinie reduziert hatte.
Wesentlich zufriedener war Moskau mit Denis Puschilin, der Sachartschenko nach dessen Tod infolge eines ungeklärten Anschlags im Jahr 2018 folgte. Nicht nur trat dieser wesentlich diplomatischer und seriöser auf, der neue Chef der Volksrepublik Donezk verkündete auch die Absicht, die umstrittenen Grenz- und Zollpunkte zwischen den beiden Separatistengebieten wieder abzuschaffen.
Lange folgten den Ankündigungen allerdings kaum konkrete Taten. Doch nun kommt wieder Bewegung in die Grenzfrage: Ab dem 1. Oktober werden die Zollkontrollen abgeschafft. Und nicht nur das: Donezk und Luhansk haben auch die Gründung eines gemeinsamen und freien Wirtschaftsraums angekündigt, die wirtschaftliche Integration der beiden ostukrainischen Gebiete soll bereits bis zum Ende dieses Jahres abgeschlossen werden.
Die Separatisten versprechen, dass die ökonomische Vereinigung bis zu 70 000 neue Arbeitsplätze in der verarmten Region schaffen soll. Zudem hofft man, dass das Durchschnittsgehalt auf umgerechnet 415 Euro steigt. Dies entspräche einem Zuwachs um mehr als das Doppelte. »Anfang des nächsten Jahres werden wir ökonomisch bereits in einem Staat leben, der nicht nur an den Unionsstaat von Russland und Belarus erinnert, sondern auch an die Europäische Union, in der die Wirtschaftsintegration ja breit angelegt ist«, erklärte der Luhansker Abgeordnete Wladimir Poljakow in einem Gespräch mit der russischen Nachrichtenseite »Gazeta.ru«. Diesen Weg werde man schnell gehen können. »Aber eigentlich würde ich mir eine noch tiefere Integration zwischen Donezk und Luhansk wünschen als zwischen Russland und Belarus.«
Laut Poljakow sei auch die politische Vereinigung der beiden Separatistenrepubliken in näherer Zukunft nicht völlig undenkbar. Dies wird von den Offiziellen bisher allerdings vehement bestritten: Aktuell gehe es darum, die wirtschaftlichen Anforderungen der Volksrepubliken aneinander anzupassen und auch mit Russland und der Eurasischen Union abzustimmen. Das eigentliche Problem, das eine mögliche vollständige Vereinigung der Separatistenrepubliken verhindert, ist aber eher das Minsker Abkommen und der gesamte Friedensprozess um den Donbass. Denn das Vertragswerk listet Donezk und Luhansk explizit als einzelne und voneinander getrennte Gebiete auf.
Deswegen ist das Format einer Konföderation, bei dem Donezk und Luhansk mit Blick auf die Minsker Vereinbarungen quasi selbstständige Subjekte bleiben, um einiges wahrscheinlicher. Grundsätzlich geht es aber klar um eine Fortsetzung der Integration der besetzen Teile des Donbass in den russischen Staatsverbund. Zwar stellen die beiden Separatistengebiete flächenmäßig nur ein Drittel der ostukrainischen Industrieregion dar. Allerdings befinden sich dort die wichtigsten Großstädte Donezk und Luhansk, in denen zusammen fast drei Millionen Einwohner leben.
Um den politischen Anschluss der Region voranzutreiben, gibt Moskau seit Frühjahr 2019 eigene Pässe an die Bewohner der beiden Volksrepubliken aus. Mit Stand vom Juli 2021 haben mehr als 600 000 Anwohner der Industrieregion einen russischen Pass erhalten. Diese Bürger durften Mitte September erstmals auch bei der Dumawahl ihre Stimmen abgeben: entweder per Internet oder in Wahllokalen des benachbarten russischen Gebiets Rostow. Gut 200 000 Menschen haben laut offiziellen Angaben von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht.
Aus Sicht des Kremls spricht für eine weitere Integration auch, dass es wesentlich einfacher ist, die oft zerstrittenen Eliten der beiden Gebiete durch eine gemeinsame Struktur zu kontrollieren. Die Erfüllung der Bedingungen des Minsker Abkommens und die darin angepeilte Rückkehr der Gebiete unter Kontrolle der Ukraine rücken damit allerdings in noch weitere Ferne .
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