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Drei Bier für diesen Mann

»Randale, Raves und Ruhm«: Der legendäre englische Labelchef Alan McGee blickt zurück, als stünde er am Tresen

  • Jens Buchholz
  • Lesedauer: 5 Min.

In jeder Kneipe gibt es so einen Typen, der einen erwartungsvoll anguckt, wenn man reinkommt. Und man weiß schon, gleich wird er einen volllabern. Sein Blick sagt, frag bloß nicht, wie mein Leben war, und man fragt auch nicht, aber er erzählt es dann trotzdem.

Die Geschichte, die dann kommt, funktioniert in der Regel wie ein Gangsta-Rap-Track: Keiner hat an mich geglaubt, schwere Kindheit, kein Geld, schlimme Eltern, Ghetto, durchgekämpft, reich geworden, es allen gezeigt, geiles Auto, geile Uhr, geiles Loft, dann Absturz, glorreiche Rückkehr. Schließlich: Erlangung sanfter Weisheit. Die Autobiografie des legendären Musikmanagers Alan McGee »Creation Stories« bietet all das in Buchform, hat aber mit Rap nichts zu tun.

Creation ist das Londoner Indie-Label, das Anfang der Neunziger die damals noch völlig unbekannte Band Oasis unter Vertrag genommen hat. Der Macher hinter dem Label ist Alan McGee. 1960 geboren, durchlebte eine trostlose Kindheit in den Suburbs von Glasgow. Als Teenager erlebte er den Niedergang der britischen Industrie und den Aufstieg des Glamrock, der schließlich in den No-Future-Punk der Endsiebziger mündete. Sein liebloses und gewalttätiges Elternhaus wollte er so schnell es geht hinter sich lassen. Motiviert vom DIY-Konzept der Punkmusik gründete er eine Band.

Weil Glasgow der falsche Ort war, um groß rauszukommen, ging er Ende der Siebziger nach London. Dort gerät er mitten in die Post-Punk-Mod-Revival-Szene. Und dann beginnt seine Musik-Manager-Heldenreise, die vorführt, wie dicht der Alles-scheißegal-Zynismus von Punk am neoliberalen Alles-scheißegal-Kapitalismus der Neunziger liegt. McGee gründet eine Band: Biff Bang Pow!. Der Bandname bezieht sich auf einen Song der Sechziger-Jahre-Mod-Band The Creation. Um mit seiner Band Platten herausbringen zu können, nimmt McGee einen Kredit auf und gründet sein eigenes Indie-Label. Das benannte er ebenfalls nach seiner Lieblingsband: Creation Records. Und die Musik, die er künftig auf seinem Label herausbringen sollte, war von diesem Geist geprägt. Psychedelische Punkmusik sollte es sein.

Während seine eigene Musikerkarriere ziemlich schnell ins Stocken gerät, gelingen McGee als Labelchef einige große Würfe. Er entdeckt Primal Scream, The Jesus and Mary Chain und My Bloody Valentine. Bis Anfang der Neunziger gibt er den durchgeknallten Musikmanager, indem er sich mit Alkohol und härteren Drogen die Kante gibt. Er macht kein Hehl daraus, dass er einfach reich werden will. Aber das Beste sollte erst noch kommen. Kurz vor seinem drogenbedingten Zusammenbruch entdeckt er Oasis. Mit deren gigantischem Erfolg wird er zur öffentlichen Person. Nun unterstützt er Tony Blair und das ebenfalls als manische Show präsentierte Konzept von »New Labour«, der sozialdemokratischen Neoliberalismus von 1997.

Neben allem Alphatierchengehabe zeigt sich McGee oft auch sehr einfühlsam. Etwa, wenn er über die Gründe für das Scheitern seiner ersten Ehe spricht. Oder wenn er über Weggenossen und Musiker nachdenkt. Der Tonfall, in dem McGee erzählt, passt perfekt. Es ist der Tonfall von Irvine Welshs großartigen »Trainspotting«-Romanen. Eine Form von Kneipenslang. Etwa, wenn er erklärt, warum das Creation-Büro in London Hackney seinen Sitz hatte: »Kein Wichser konnte seinen Fuß dahin setzen. Konnte passieren, dass man auf offener Straße überfallen wurde! Für uns war es perfekt.«

Die Bosse der Major-Plattenfirmen nennt er gerne »Major-Arschlöcher«. McGee wirkt wie eine »Trainspotting«-Figur von Irvine Welsh. Nicht wie der irre Gewaltfreak-Begbie, eher wie eine Mischung aus dem raffinierten Mark Renton und dem Junkie-Bajazzo Spud - mit denen er auch seine große Liebe zu David Bowie teilt. Da trifft es sich gut, dass McGees Buch bereits verfilmt worden ist. McGee wird von Spud-Darsteller Ewen Bremmer gespielt, das Drehbuch hat Irvine Welsh verfasst und produziert wurde der Film von »Trainspotting«-Regisseur Danny Boyle.

Das große Geschenk, das einem diese Autobiografie macht, liegt aber nicht so sehr in der Hybris-Geschichte von McGee oder den gefühlt zehntausend Drogen- und Studioanekdoten. Das Geschenk ist die Erinnerung an die britische Independentszene der Achtziger und Neunziger. Heute gilt Independent ja merkwürdigerweise als Musikstil. Damals ging es um Musik, die unabhängig von den großen Plattenfirmen auf kleinen Labels vertrieben wurde, wie Rough Trade, Mute oder eben Creation.

Diese Szene lässt McGee in seinem Buch auferstehen. Liebevoll gespielte Songs jenseits der Hochglanzperfektion des damaligen Popmainstreams. Es gibt einen roten Faden in der britischen Popmusik. Er nimmt seinen Anfang in den Sechzigern mit den Beatles, den Rolling Stones und den Kinks, wird in den Siebzigern von den Sex Pistols, The Clash und The Jam weitergesponnen, in den Achtzigern von The Smiths, den Primitives und den Creation-Bands, in den Neunzigern von Oasis und Blur und schließlich geht es mit Bands wie Franz Ferdinand oder The Libertines weiter.

McGee hat mit seinem Label die Achtziger und Neunziger ganz wesentlich mitgeprägt. In seinem Buch erinnert er an unzählige, fast vergessene, dennoch großartige Bands. Dazu gehört seine eigene Band Biff Bang Pow!, aber auch The Loft, The Pastels, The Membranes, Felt oder The Weather Prophets. Wenn mir der Typ in der Kneipe davon erzählt und genauso unterhaltsam wie McGee, dann bleibe ich gern die nächsten drei Bier an seinem Tisch sitzen.

Alan McGee: Randale, Raves und Ruhm. Storys eines Labelmachers. A. d.. Engl. v. Michael Kellner. Matthes & Seitz, 336 S., geb., 24 €.

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