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Rappen gegen Rassismus
Mit dem Freedom of Movement-Festival setzt der Jugendzirkus Cabuwazi ein Zeichen für Vielfalt
Zu Beginn stehen die knapp 20 Jugendlichen noch schüchtern am Manegenrand. Doch kaum werden sie aufgerufen, springen sie nacheinander mutig in die Mitte und free-stylen, also improvisieren, jeweils 45-sekündige Hip Hop-Soli. Das Zirkuszelt ist erfüllt von den rhythmischen Beats des DJ’s, dem Applaus der Gäste und der Energie der jungen talentierten Menschen, die es der Jury nicht leicht machen, zu entscheiden, wer eine Runde weiterkommt.
Mit dem Hip Hop-Tanz-Battle des Vereins Haber endet am Freitagabend der erste Tag des Freedom of Movement-Festival (auf deutsch: Festival der Bewegungsfreiheit) des Cabuwazi-Zirkus auf dem Tempelhofer Feld. Das fünfte Jahr in Folge organisiert Cabuwazi das dreitägige Festival, um mit Tanz, Musik, Artistik und Theater ein Zeichen gegen Rassismus und Ausgrenzung zu setzen. »Rassismus wirkt auf den Körper, der Köper muss das verdauen, nicht nur der Kopf. Kunst ist eine Art und Weise der Verarbeitung«, sagt Daphne Brunet, die selbst schon viele rassistische Erfahrungen gemacht hat. Seit 2015 arbeitet sie bei Cabuwazi als Zirkuspädagogin. Beim Freedom of Movement Festival leitet sie eine Gruppe von weißen und Schwarzen Erwachsenen an, die mit der Eigenproduktion »Remember« (Erinnern) den Bewusstwerdungsprozess in die Manege bringen will, der Cabuwazi auch intern beschäftigt.
»Rassismus ist nicht nur ein Problem von Schwarzen Menschen, sondern wir müssen das gemeinsam lösen«, sagt Brunet. Seit 26 Jahren bietet Cabuwazi - der Name steht für »chaotischer bunter Wanderzirkus« - an sechs Standorten in Berlin kostenloses Zirkustraining für Kinder und Jugendliche an, seit 2015 im Rahmen des Projekts Beyond Borders (auf deutsch: über Grenzen hinweg) auch speziell für geflüchtete Kinder. Da viele von ihnen Rassismus-Erfahrungen machen, der Großteil des Organisationsteams jedoch weiß ist, hat sich Cabuwazi in diesem Jahr mit Workshops zu Selbstermächtigung und kritischem Weißsein auf das Festival vorbereitet. »Es gibt viel zu tun, wir müssen uns unserer Privilegien bewusst werden, da stehen wir noch ganz am Anfang«, sagt Cabuwazi-Sprecherin Julia Krautstengel.
Hip Hop als Sprache des Widerstands
Das diesjährige Freedom of Movement-Festival steht ganz im Zeichen des Hip Hop, »eine super wichtige Sprache für Menschen der Widerstandsbewegung«, erklärt Brunet. Und so wird das Festival eröffnet mit einer Performance von Raphael Moussa Hillebrand, Hip Hop-Künstler, Aktivist und Gründer der Partei »Die Urbane. Eine Hip Hop-Partei«. Während Hillebrand breakdanced und sich auf dem Kopf im Kreis dreht, erzählt er von seinem Großvater, der im Zweiten Weltkrieg auf der Seite Nazideutschlands gekämpft hat. »Er hat mich nie spüren lassen, dass ich nicht weiß bin und deshalb weiß ich: Menschen können sich ändern« - mit diesen Worten beendet er seine Performance.
In der anschließenden Diskussion mit Rapper Matondo Castlo als Moderator und verschiedenen Schwarzen Aktivisten sowie Berlins Staatssekretär für Integration, Daniel Tietze (Die Linke), als Gästen, erklärt Hillebrand: »Kunst und Aktivismus befruchten sich gegenseitig. Theater berührt die Menschen, ändert aber noch nichts an den Strukturen«. Das versuche er in der Politik, sagt Daniel Tietze, zum Beispiel durch das neue Berliner Partizipationsgesetz. Hillebrand fordert den Staatssekretär zu einem kleinen »Battle« heraus, indem er die Frage »Warum funktioniert Integration nicht?« mit einer Breakdance-Einlage verbindet. Tietze nimmt die Herausforderung an, zieht sich sein Jacket aus und tanzt zur Antwort: »Ich weiß es nicht - Sie erleben mich wortlos.«
Sisterhood und Rassismuserfahrungen
Weniger sprachlos präsentieren sich anschließend neun junge Rapperinnen der Weddinger Gruppe »Sister Queens«, in deren Songs es um Freundinnenschaft und Zusammenhalt geht. »Sisterhood, das sind wir!«, rappen sie lautstark in die Manege.
»Ich finde Hip Hop sehr wichtig, es beschreibt Gefühle und Erfahrungen. Mit der Musik kann man sich wohl fühlen«, sagt auch Hassan Nazemi. Der 18-Jährige ist seit einem Jahr Teil der Cabuwazi-Jugendgruppe, die am Samstag das Musical »Zirkus Camp« aufführte, eine Koproduktion mit der Organisation Plural Arts. »Es geht in dem Stück um einen Jungen, der neu in eine Gruppe kommt und anfangs gemobbt wird«, erklärt Nazemi. Die Geschichte haben die Jugendlichen auf einer Ferienreise an die Nordsee im Sommer selbst geschrieben. Auch hier ging es viel um die Verarbeitung rassistischer Erfahrungen.
Dem wurde an diesem Wochenende im Tempelhofer Zirkuszelt ein buntes, empowerndes Kulturprogramm von Menschen mit unterschiedlichsten Hautfarben und Geschichten entgegengesetzt. Das Ziel, mit Cabuwazi einen »Safe Space«, einen sicheren Ort, für Menschen mit Diskriminierungserfahrungen zu schaffen, wie Julia Krautstengel sagt, schien hier schon in Sichtweite zu sein.
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