Coronawelle könnte Grippesaison treffen

Impf-Appell vor allem an Ältere: Bei ihnen besteht eine höhere Gefahr von Influenza-Komplikationen

Covid-19 und Influenza sind Atemwegsinfektionen. Wenn ab Herbst wieder mehr Menschen in Innenräumen zusammenkommen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich beide Krankheiten verbreiten. Und dass eben auch ein Teil der Infizierten schwer erkrankt. Auf diese altbekannten Zusammenhänge verwies Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI) noch einmal am Mittwoch in Berlin, um nachdringlich auch für die Grippeimpfung zu werben.

Die Daten zu den diesjährigen Influenzaimpfstoffen lieferte der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens. 27 Millionen Dosen tetravalente Impfdosen (sogenannter Vierfach-Grippe-Impfstoff) stünden in Deutschland in dieser Saison zur Verfügung. Sie enthalten Bestandteile von je zwei unterschiedlichen Virustypen Influenza A und B. Zudem gibt es sie jeweils in hühnerei-, zellkulturbasierten und lebend-attenuierten Impfstoffen. Bei der letzteren Variante handelt es sich um geschwächte Erreger, nicht nur um deren Bestandteile. Die Stämme entsprechen Empfehlungen der WHO und wurden wie üblich nach Beobachtung des Infektionsgeschehens auf der Südhalbkugel im Sommer ausgewählt. Für ältere Patienten, deren Immunantwort auf Impfungen in der Regel schwächer ausfällt, gibt es adjuvante (verstärkte) oder Hochdosisversionen der Vakzine.

Inzwischen ist geklärt, dass die Impfungen gegen Sars-CoV-2 wie auch gegen Influenza nun »ko-administriert« werden können. Das heißt nicht, dass die Vakzine einfach mit einer Spritze verabreicht werden. Es ist jedoch nur ein Termin nötig, an dem es in jeden Oberarm eine Dosis gibt. Diese Empfehlung gilt nur für die Influenza-Totimpfstoffe. Bislang, so erläutert Mertens, habe man einen 14-tägigen Abstand empfohlen, um Impfreaktionen genau voneinander zu unterscheiden. Insgesamt zeigte sich der Stiko-Chef unzufrieden mit früheren niedrigen Raten bei der Grippeimpfung, die nur bei höchstens 40 Prozent der älteren, besonders gefährdeten Bevölkerung lag. In der vergangenen Saison seien insgesamt 22 Millionen Impfdosen verbraucht worden, deutlich mehr als in den Vorjahren. Eine solche Quote würde Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gerne wieder erreichen. Bis Montag dieser Woche waren von den diesjährigen Bestellungen bereits 23 Millionen Dosen freigegeben worden.

Noch lässt sich nicht absehen, wie stark sich die Grippewelle im nächsten Halbjahr entwickelt. Eine hohe Impfrate könnte dazu beitragen, dass möglichst wenig Menschen erkranken. RKI-Chef Wieler plädiert dafür besonders an die Gruppe der Älteren, von denen bei heftigen Grippewellen viele in Krankenhäusern aufgenommen werden müssen. Grippekomplikationen wie Lungenentzündung oder Entzündungen des Gehirns, an Hirnhäuten, Herzmuskel oder Herzklappen machen häufig eine Versorgung auf der Intensivstation nötig. Das könnte in diesem Jahr kritisch werden, wenn von den über drei Millionen über 60-Jährigen, die noch nicht gegen Sars-CoV-2 geimpft sind, ein großer Teil ebenfalls schwer an Covid-19 erkrankt.

Nach der ungewöhnlich schwachen Grippesaison 2020/21, offensichtlich auch durch Corona-Schutzmaßnahmen bewirkt, fehlt theoretisch auch die Stärkung des Immunsystems durch die Auseinandersetzung mit den Grippeviren in der vorigen Saison. Ein ähnlicher Effekt könnte bereits schon bei einer weiteren Atemwegserkrankung eingetreten sein, die vor allem Kleinkinder (bis 6 Jahre) betrifft: Eine Erkältung mit etwas mehr Symptomen als gewöhnlich, ausgelöst durch das nicht meldepflichtige Respiratorische Synzytial-Virus (RS-Virus). Gefährlich ist dieses besonders für Frühgeborene und vorerkrankte Kinder im ersten Lebensjahr. Krankenhausaufnahmen mit einer RS-Virus-Infektion sind in einigen Regionen Deutschlands jetzt schon höher als in den Vorjahren; in den befragten Kliniken liegt die Zahl im unteren zweistelligen Bereich. Größere Ausbrüche wurden im Mai in Israel und im Sommer in den USA, Australien und Japan registriert. Für Deutschland wird unter den Ursachen der wieder zunehmende Anteil von in Kitas betreuten Kindern vermutet.

Auch mit Blick auf die neun Millionen Kinder in Deutschland unter 12 Jahren, die noch nicht gegen Sars-CoV-2 geimpft werden können, appellierte Wieler an alle, die mit Kindern umgehen, sich impfen zu lassen. Sowohl das RKI als auch Gesundheitsminister Spahn sprachen sich für eine weiter bestehende Maskenpflicht in Schulen aus - bis zum Frühjahr. Für Wieler ist die noch unklare Datenlage zu Covid-19-Langzeitfolgen bei Kindern ein Grund für diese Empfehlung.

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