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Ach du schöne Endzeit
Plattenbau CD der Woche: Zwitschermaschine lebt - mit sieben Songs und Peter Hein
Die Neobarockfiguren an den rot getünchten Wänden des Ballhauses Berlin kamen bei diesem Revival der Art-Punk-Band Zwitschermaschine nicht schlecht ins Staunen. Wolfgang Grossmann, Drummer der 1979 gegründeten und 1983 wieder aufgelösten einstigen Szeneband aus zunächst Dresden und später Ostberlin, hatte sich in den Kopf gesetzt, die Songs des bereits 1991 bei einem Raubüberfall ums Leben gekommenen Dichters und Leadsängers Michael Rom wieder unter die Leute zu bringen. Rom ist der heute wohl unbekannteste Vokalist der Band. Wie er steuerten die Malerin und Performancekünstlerin Cornelia Schleime und Sascha Anderson jeweils sieben Songs zum schmalen Oeuvre der Minimal-Akkord-Truppe bei.
Glaubt man der Legende, war der früh verstorbene Rom der begabteste Wortkünstler der drei. Das, was man von seinen Texten in der Brandung der vorwärts gepeitschten Akkorde verstehen kann, zeugt vor allem von Wut, vom Weggehen wollen, vom finsteren Verzweifeln, in das sich allerdings auch Spuren absurden Humors mischen.
Eine Hymne auf den D-Zug ist zu vernehmen, Zürich taucht als Sehnsuchtsprojektion auf. Und das Zeug zum Hit all derer, die nach mehr streben, als ihnen gewährt wird, hat der Song mit der Kernzeile »Was ich haben will, das kriege ich nicht. Was ich kriege, das gefällt mir nicht«. Gesungen, nein, in die Welt hinausgequetscht wird der Song an diesem Abend vom gebeugten Riesen des deutschen Punk, Peter Hein.
Der Sänger der legendären Band Fehlfarben, gleiches Gründungsjahr wie Zwitschermaschine, nur eben im Westen, ist für den einen Auftritt mal schnell von Wien nach Berlin gekommen. Heins so großtourig tönen könnende Stimme verleiht Roms Texten jene Mischung aus Kunstfertigkeit und Wut, die man auch aus den wenigen existierenden Audiodokumenten von Roms eigenen Lesungen heraushört. Zugleich macht Heins Mitwirken dieses Erinnerungskonzert zu weit mehr als einem Nostalgieevent einstiger Undergroundgrößen des Ostens. Man kann den Abend im schrill gestalteten Ballhaus in der Chausseestraße, unweit der einstigen Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in der DDR, als eine Art späte Wiedervereinigung von Ost- und Westpunk sehen.
Dankbar sein muss man vor allem Grossmann. Der einstige Drummer und WG-Mitbewohner von Rom, der jetzt neben Hein und der Darkpop-Größe Aniqo als Sänger fungierte, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, den in alle Welt verstreuten Nachlass Roms zusammenzutragen. Aus den Fundstücken stellte er zunächst das Buch »will nicht zu den großohrigen elefanten« zusammen. Die sieben Songs, die Rom für Zwitschermaschine schrieb, waren aber weiter in seinem Kopf verankert. Grossmann sprach ein paar Musikerkollegen an, sang sie ihnen vor – und aus dem Gehörten rekonstruierten sie dann die Parts für Bass, Gitarre und Schlagzeug.
Es handelte sich um Musikarchäologie erster Güte. Beteiligt daran waren unter anderem Torsten »Pegman« Füchsel von Herbst in Peking und Rajko Gohlke, unter anderem Bassist beim Elektropunker Rummelsnuff. Die alten Lieder wurden auch für einen neuen Tonträger eingespielt. Und als dann auch noch Bandmitgründerin Cornelia Schleime auf die Bühne trat und einen von ihren seit 40 Jahren nicht mehr vorgetragenen Texten gemeinsam mit Aniqo in den Mahlstrom der krachenden Punkgitarren warf, fühlte man sich vollends in die alte Zeit zurückversetzt, die so viel von Endzeit hatte, die im Rückblick aber auch noch sehr viel angefüllter von Alternativen erscheint als die konsumistisch bunte, moralisch aber verödete Gegenwart.
Der Schlagzeuger von Zwitschermaschine: »ROM«( Rundling)
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