Ungeimpfte unter Druck

Mit dem Ende der kostenlosen Schnelltests auf Sars-CoV-2 wird die Pandemie-Beobachtung schwieriger

Ab diesem Montag gibt es keine kostenlosen Corona-Bürgertests mehr. Seit Anfang März war dieses Angebot vom Bund finanziert worden. Laut Bundesamt für Soziale Sicherung kostete es mehr als 3,7 Milliarden Euro. Bundesweit haben 15 000 Stellen die Gratis-Schnelltests angeboten. Deutschland ist eines der letzten Länder, die diesen Service garantierten. Sein Wegfall wird damit begründet, dass sich die meisten Menschen hierzulande inzwischen gegen Corona impfen lassen können. Es gibt ausreichend Impfdosen und Termine, inzwischen vor allem in Hausarztpraxen. Eine dauerhafte Übernahme der Testkosten durch die Steuerzahler sei daher nicht länger nötig, heißt es.

Weiterhin kostenlos überprüft werden nur noch bestimmte Personen, die sich nicht gegen Covid-19 impfen lassen können. Zugang haben Kinder, Schwangere oder Personen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können. Hier wird noch einmal differenziert: Mindestens einen Test pro Woche gratis machen können Kinder von 12 bis 17 Jahren und Schwangere noch bis zum 31. Dezember, da es für sie noch nicht lange eine allgemeine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission gibt.

Gratis bleiben die Schnelltests auf Dauer für jene, bei denen medizinische Gründe gegen eine Impfung sprechen, sowie für die jüngeren Kinder. Auch Menschen, die zum Beenden einer Quarantäne wegen einer Corona-Infektion diesen Nachweis brauchen, erhalten ihn kostenfrei. Schon das ist wenig übersichtlich. Etliche Apotheken befürchten Chaos und Diskussionen wegen fehlender gültiger Nachweisdokumente. Für alle, deren bezahlter oder kostenloser Schnelltest positiv ausfällt, werden die Kosten eines dann notwendigen PCR-Tests weiterhin vom Bund übernommen.

Auch für die hier genannten, in Bezug auf einen Obolus Privilegierten sinkt das Angebot an Teststellen, weil sich viele der Betreiber mangels Aufkommen aus dem Geschäft zurückziehen werden. Zudem gibt es den Personenkreis von (noch) nicht Geimpften, die weiterhin und immer wieder Tests brauchen könnten. Das ist der Fall, wenn sie Angebote annehmen wollen, die noch mit der 3G-Regelung zugänglich sind, also nicht nur für Geimpfte oder Genesene, sondern auch für negativ Getestete. Darunter finden sich Veranstaltungen in Kinos, Clubs oder Theatern oder der Besuch von Restaurants, der Gang zum Friseur, touristische Übernachtungen, Sport, Versammlungen, aber auch Besuche in Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen. Die Liste ist lang und in den Bundesländern zudem unterschiedlich geregelt.

Hinzu kommt, dass je nach Inzidenz die Vorgaben auch wieder strenger gefasst werden können. Teilweise wird auch ein Schnelltest nicht mehr genügen (wie etwa in Thüringen), sondern es muss das Ergebnis eines deutlich teureren PCR-Tests her. Entsprechend der Bandbreite der 3G-geregelten Anlässe besteht weiterhin eine bestimmte Nachfrage: In Nordrhein-Westfalen wurden etwa, Stand letzte Woche, noch rund 200 000 Schnelltests täglich durchgeführt.

Bislang existiert keine Vorgabe, wie viel die Tests kosten werden. Aus dem Apotheken-Umfeld war zu hören, dass die Dienstleistung dort zwischen 20 und 30 Euro kosten wird. Insgesamt ist von einer Preisspanne zwischen 15 und 40 Euro die Rede. Anbieter unterliegen der Auflage, dass ihr Preis von außen deutlich kenntlich gemacht werden muss. Bisher bekamen Anbieter pro Schnelltest 11,50 Euro vergütet, für die genaueren PCR-Tests gab es etwa 43 Euro. Im Selbstzahlerbereich waren sie schon immer teurer, unter anderem, wenn das Ergebnis besonders schnell geliefert wurde.

Der Weg zur nächsten Teststelle wird auf jeden Fäll länger. Nicht einmal alle Apotheken werden unter den geänderten Rahmenbedingungen weiterhin ein Angebot bereitstellen. Nach den Zahlen eines Info-Portals taten dies in den letzten sieben Monaten bis zu 6000 Apotheken. Schon in den letzten Wochen sank diese Zahl mangels Nachfrage um ein Drittel. In einigen größeren Städten wurden wegen des absehbaren Rückzugs privater Anbieter kommunale Testzentren eingerichtet, die einen Grundbedarf decken können. Eine Bündelung des Angebots in Gesundheitseinrichtungen und Apotheken schlug die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände vor. Das solle zur Qualitätssicherung beitragen und die Preise stabil halten, zudem eine wohnortnahe Versorgung sichern. Die Bundesregierung wies auch darauf hin, dass Beschäftigte sich in Firmen weiterhin kostenlos testen lassen können.

Als Alternative zu kostenpflichtigen Tests gibt es die Empfehlung von Politik und Ärzten, sich eben kostenlos gegen Covid-19 impfen zu lassen. Dieser Versuch, auf der Preisebene ein erwünschtes Gesundheitsverhalten zu erreichen, wird jedoch nicht durchgängig als sinnvoll erachtet. Teils gibt es, unter anderem aus monetären Gründen der jeweiligen Anbieter, Alternativvorschläge. Aus dem Apothekenumfeld heraus wurde dafür geworben, ein Zuzahlungssystem einzuführen, wie es auch bei Arzneimitteln funktioniere. Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen hält es für sinnvoll, jenen einen Gratistest zu genehmigen, die eine Impfberatung annehmen.

Als eine der Folgen der Abschaffung kostenloser Tests wird damit gerechnet, dass sich Zahlungsunwillige ihr Zertifikat fälschen könnten. Davon gehen einige kommunale Gesundheitsbehörden aus. Werden die Ergebnisse nämlich noch als PDF-Datei ausgestellt – und das können Kunden oft selbst entscheiden – gebe es einfache Manipulierungsmöglichkeiten. Das Bundesgesundheitsministerium setzt hingegen darauf, dass ein immer größerer Anteil der Ergebnisse auf relativ sichere Apps ausgegeben wird. Laut Bundeskriminalamt gibt es noch keine Anzeichen für verbreitete Fälschungen von Testergebnissen.

Bereits sehr klar zeichnet sich eine Konsequenz aus der Abschaffung des kostenlosen Angebots für die Pandemie-Beobachtung ab: Denn bei deutlich weniger Tests werden mehr Infektionen unerkannt bleiben, und die Gesundheitsbehörden könnten nur verzögert auf einen neuen Anstieg an Infektionen reagieren. Im schlechtesten Fall müsste die nun getroffene Entscheidung rückgängig gemacht werden.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!