- Politik
- Nordirland
Verhaftungen im Mordfall Lyra McKee
Polizei setzt die Neue IRA unter Druck, während loyalistische Übergriffe zunehmen
Auch in Irland wurde die Verleihung der Friedensnobelpreise an zwei Journalisten positiv aufgenommen. Michelle Stanistreet, Generalsekretärin der Journalistengewerkschaft NUJ, erklärte, sie sei »stolz auf Maria Ressa und Dmitry Muratov und die Anerkennung ihrer Arbeit«. Diese Arbeit sei oft gefährlich. Stanistreet weiß, wovon sie spricht. Denn auf der irischen Insel sind Journalisten öfter Ziele von Angriffen als in anderen westeuropäischen Ländern.
Zwar liegt die Republik Irland im aktuellen Pressefreiheitsranking von Reporter ohne Grenzen an zwölfter Stelle, doch das Vereinigte Königreich rangiert nur auf Platz 33. Im Jahr 2020 war es sogar auf Stelle 35 gefallen. Der Grund: die immer problematischere Situation in Nordirland.
2019 war kein gutes Jahr. Damals leitete die britische Polizei gegen die Journalisten Trevor Birney und Barry McCaffrey ein Verfahren ein und durchsuchte ihre Häuser. Der Grund: Sie zeigten in einer vom irischen öffentlich-rechtlichen Sender RTÉ finanzierten Dokumentation die Zusammenarbeit britischer Staatsorgane mit loyalistischen Todesschwadronen während eines Massakers an Katholiken 1994 auf. Aber besonders schockierend war der Mord der Neuen IRA an der Journalistin Lyra McKee im April 2019.
Seit mittlerweile einem Monat führt die nordirische Polizei eine Verhaftungswelle wegen des Mordes gegen die Neue IRA und die politische Organisation Saoradh (Befreiung) durch. Deren Strukturen sollen langfristig geschwächt werden. Die bisher letzten Verhaftungen fanden vergangene Woche statt. In Derry wurden drei Männer festgenommen und verhört. Zwar wurden sie wieder freigelassen, doch die Ermittlungen gehen weiter.
Die 29-jährige McKee wurde am Rande von Ausschreitungen in Derry in der Nacht auf den 19. April 2019 von einer Kugel getroffen. Die Neue IRA bekannte sich zu den Schüssen auf die Polizei und entschuldigte sich in einer Stellungnahme für McKees Tod.
In den Nächten vor Ostern kommt es in den katholisch-nationalistischen Gegenden in Nordirland regelmäßig zu Zusammenstößen zwischen Jugendlichen und der Polizei. 2019 kam es aufgrund von Hausdurchsuchungen zu Ausschreitungen. McKee beobachtete mit Freundinnen die Ausschreitungen hinter einer Linie gepanzerter Polizeifahrzeuge. Knapp vor Mitternacht feuerte ein Mitglied der Neuen IRA rund zehn Schüsse aus einer Kleinkaliberwaffe auf die Fahrzeuge. Ein Blindgänger traf McKee am Nacken. Sie starb noch in derselben Nacht im Krankenhaus.
Insgesamt wurden bisher 25 Personen wegen des Todes von McKee verhaftet, gegen zwölf wird wegen der Schüsse in der Tatnacht ermittelt. Im September wurden Gearóid Cavanagh und Jordan Devine und bereits 2020 Paul McIntyre angeklagt. Ebenso angeklagt ist Niall Sheerin, der die Tatwaffe in einem Baum versteckt haben soll. Diese wurde im Frühjahr 2020 gefunden. Der Schütze ist laut Polizei nicht unter den Angeklagten. Ein 19-jähriger Verdächtiger sei zwar bekannt, noch liegen jedoch nicht genügend Beweise gegen ihn vor.
McKee wurde nicht während oder aufgrund der Ausübung ihrer Arbeit von Republikanern erschossen. Zugleich verstärken sich die Übergriffe von Loyalisten auf Journalisten. Laut einem Bericht von Patricia Devlin, einer Journalistin, der angedroht wurde, dass ihr Kleinkind angegriffen werde, wurden über ein Dutzend Journalisten von »Belfast Telegraph«, »Sunday World« und anderen Zeitungen von der nordirischen Polizei gewarnt, dass ihr Leben in Gefahr sein könnte. Diese Drohungen kommen zumeist von Loyalisten. Während der Tod von McKee derzeit zu einer Verhaftungswelle von Republikanern führt, werden loyalistische Übergriffe kaum untersucht.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.