Ungewöhnliche Allianz

Der Deutsche Bauernverband appelliert gemeinsam mit Umweltgruppen an Koalitionsparteien für Agrarwende

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 4 Min.

Ginge es nach dem Willen von Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings, wären die Sondierungen der neuen Regierungskoalition beim Thema Landwirtschaft schnell mit zwei Worten abzuhaken: »ZKL umsetzen«. ZKL, das ist die vom ehemaligen Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Peter Strohschneider, geleitete Zukunftskommission Landwirtschaft, bestehend aus 31 Vertreter*innen aus Landwirtschaft, Wirtschaft, Verbraucherschutz, Umwelt- und Tierschutz sowie der Wissenschaft.

Im Sommer hatte die Kommission in ihrem Abschlussbericht einstimmig einen breiten Konsens zur ökologischen Transformation vorgelegt. Darin enthalten sind Vorschläge, die Haltung von Tieren zu verbessern, regionale Wirtschaftskreisläufe zu stärken und Ökosysteme besser zu schützen. Die Zusatzkosten für den Produktionsumbau werden auf sieben bis elf Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Es grenze schon an »ein Wunder«, dass sich die Beteiligten auf ein gemeinsames Papier geeinigt hätten, so Niebert. Nun wollten sie auch, dass es umgesetzt wird.

»Ohne eine zukunftsfähige Landwirtschaft sind die Herausforderungen nicht zu bewältigen. Dazu braucht es Wertschätzung, Wertschöpfung, wirtschaftliche Tragfähigkeit und Perspektive für die Landwirtschaft«, sagte der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Werner Schwarz, am Dienstag bei einer virtuellen Pressekonferenz. Deshalb müssten die Empfehlungen in Gänze umgesetzt werden. Gelungen sei der Kompromiss im Abschlussbericht vor allem, weil die Umwelt- und Tierschutzgruppen auf das Ordnungsrecht als Wahl der Mittel verzichtet hätten, sagte Schwarz. Trotzdem sieht er eine große Herausforderung darin, dem eigenen Verband das neue Bündnis schmackhaft zu machen.

Olaf Bandt, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz, sagt ebenso unumwunden, der Umweltverband arbeite an seiner Kommunikation, die in den vergangenen Jahren gegenüber dem Bauernverband »an der ein oder anderen Stelle sicher sehr pointiert« gewesen sei. Bandt forderte ein »staatlich begleitetes Umbauprogramm für die Nutztierhaltung sowie eine verbindliche Pestizidreduktionsstrategie zum Schutz der Biodiversität«. Ebenso wichtig sei aber, dass die Politik die Rahmenbedingungen für faire Preise für Erzeuger*innen verbessere. Um die biologische Vielfalt zu erhalten und zu schützen, würden Strukturelemente und unbewirtschaftete Flächen benötigt, sagte auch Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbunds Deutschland. Das müsse »fair honoriert werden«.

Ein Ziel in der Abschlusserklärung sei gewesen, den Konsum tierischer Produkte zu verringern, »einhergehend mit sinkender Produktion und anerkennend der auskömmlichen Bezahlung der Landwirte«, so Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. »Klimaschutz geht nicht ohne Tierschutz, Landwirtschaft geht nicht ohne ein Mehr an Tierwohl.«

Für den Präsidenten der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, Hubertus Paetow, sind das »wirklich Neue die Bereitschaft der Agrar- und Ernährungswirtschaft zur ökologischen Transformation und die Bereitschaft der gesamten Gesellschaft, diese Transformation ökonomisch zu ermöglichen«.

Möglich, dass gerade die jüngere Generation der Landwirt*innen den Wandel zu dieser Bereitschaft eingeleitet hat. Im Bauernverband hatte es zuletzt deutliche Kritik am Präsidenten Joachim Rukwied gegeben, ein Generationswechsel steht im Raum. So appellierte die Vorsitzende des Bundes der Deutschen Landjugend, Kathrin Muus, die Verbände müssten zusammenhalten. »Die Ergebnisse der Zukunftskommission müssen umgesetzt werden - für Planungssicherheit und langfristige Perspektiven von Junglandwirt:innen heute und in Zukunft, für Klima, Ökologie und Biodiversität.«

Myriam Rapior, Mitglied im Bundesvorstand der BUNDjugend, sieht sich da ganz an ihrer Seite. Sie hätte zunächst gedacht, mit dem Abschlussbericht sei die große Arbeit der Kommission vorbei. »Nun glaube ich, das ist erst der Beginn von etwas noch größerem.« Gerade junge Menschen bräuchten die Gewissheit, »dass unsere Lebensmittel ohne schädliche Wirkungen auf das Klima und die Artenvielfalt produziert werden«. Die planetare Grenzen müssten gewahrt und gleichzeitig Höfe gesichert werden.

Ob ihre jeweilige Basis den Weg mitgeht, ist ungewiss. Bereits nach dem Abschlussbericht hatte es einiges an Kritik gegeben. »Nicht nur Landwirte sind unzufrieden, auch in unseren Reihen gibt es noch Kritik an dem neuen Weg«, so Rapior. Aber es gebe eben auch sehr viel Zuspruch.

Den gab es am Dienstag zudem von der agrochemischen Industrie, die sich laut Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands Agrar, Frank Gemmer »uneingeschränkt zu den Empfehlungen« bekennt.

Kritik kam dagegen von der Verbraucherorganisation Foodwatch. Die nannte die »hübsch klingenden Formelkompromisse der Zukunftskommission« beim Klimaschutz und beim Tierschutz »völlig unzureichend«, so Matthias Wolfschmidt.

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