Klimavortrag mit Polizeibesuch

Interventionen bei »Kritischen Einführungswochen« an der Universität Leipzig sorgen für Unmut

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.
Wer ein Studium beginnt, so wie diese Woche 6400 junge Menschen an der Universität Leipzig, hat vieles um die Ohren: Einschreibung, Zimmersuche, Orientierung in Gebäuden und Lehrplänen. Die Uni könne einem »wie eine Welt für sich vorkommen«, schrieb ein Bündnis linker Hochschulgruppen 2018 – und fügte an: »Sie ist aber nicht losgelöst von der Gesellschaft.«

Aus diesem Gedanken entstanden die »Kritischen Einführungswochen« (KEW) an der Leipziger Uni. Sie seien, hieß es anlässlich der aktuell stattfindenden Auflage, als »politisches und gesellschaftliches Alternativprogramm« gedacht.
Dieses Programm ist weit gefächert. Innerhalb von drei Wochen gibt es über 100 Veranstaltungen: über autodidaktisches Lernen und das Lehramtsstudium der Zukunft, den »Marxismus bei Rosa Luxemburg« und den Leipziger Zoo »aus tierrechtlicher Perspektive«. Auch eine abschiebungskritische Radtour und ein Pubquiz zum deutschen Kolonialismus finden statt.

Um einige Veranstaltungen gibt es jedoch Ärger. Die Organisatoren der KEW werfen der Universitätsleitung Zensur und eine Einschränkung der Meinungsfreiheit vor. Die Linke im Landtag spricht von »Repressionsdruck« und »Schikane« und fordert Konsequenzen von der Staatsregierung.

Wirbel gab es zunächst um eine Veranstaltung der polizeikritischen Initiative CopWatch mit dem Titel »Wie intervenieren in Polizeikontrollen?« Diese sei von der Universitätsleitung verboten worden, ohne dass es eine offizielle Begründung gab. Stein des Anstoßes soll nach Angaben des Bündnisses das Wort »intervenieren« gewesen sein, das als Aufruf zur Gewalt verstanden werden könne. Das sei »absurd«, heißt es in einer Erklärung; »wie so oft« würden demokratische Rechte, in diesem Fall das auf Beistand in einer Polizeikontrolle, kriminalisiert. Die Veranstaltung sollte nun diesen Mittwoch unter freiem Himmel nachgeholt werden.

Nur einen Tag nach dem Verbot kam es zum nächsten Eklat, als bei einem Vortrag Polizisten im Hörsaal auftauchten. Gastrednerin Sina Reisch vom Bündnis Ende Gelände sprach unter der Überschrift »Dörfer retten, Klima schützen« über »aktiven Widerstand gegen die Klimakrise« und die akute Bedrohung des Dorfes Lützerath durch den Tagebau Garzweiler. Im Einladungstext hieß es: »Hier erfährst du mehr über Ende Gelände, die Verteidigung Lützeraths und wie du mitmachen kannst«. Der Vortrag sei von »mehreren Polizist*innen gestört« worden, erklärten die KEW-Organisatoren. Das stelle ein »absolutes No-Go für die Freiheit von Forschung und Lehre dar«.

Die Universität erklärte auf Anfrage des »nd«, man habe »keinen Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung« des KEW-Programms genommen und auch keine Veranstaltungen verboten. Nach einem Gespräch mit den Organisatoren habe man aber für zwei der 103 Veranstaltungen »keine Räume zur Verfügung gestellt«. Zu Gründen äußerte sich Universitätssprecher Michael Lindner nicht. Bei der Visite der Polizisten sei es um ein »Gespräch von Beamten des zuständigen Reviers« mit den Veranstaltern gegangen. Über die »Kontaktaufnahme« hinaus seien keine weiteren polizeilichen Maßnahmen getroffen worden. Laut Pressestelle des Polizeipräsidiums habe es sich nicht um eine Versammlung gehandelt.

Im Landtag sorgen die Vorfälle für Unverständnis. Anna Gorskih, hochschulpolitische Sprecherin der Linken, fordert Erklärungen von Universität und Polizei und betont, der Studierendenrat habe »einen Anspruch« auf die Nutzung von Räumen. Sie erinnerte daran, dass schon 2018 im Zusammenhang mit den kritischen Einführungswochen ein Treffen von Rektorin Beate Schücking und dem damaligen Chef von Sachsens Verfassungsschutz, Gordian Meyer-Plath, publik wurde. Dass sich ein solches »Schauspiel« nun wiederhole, empfinde sie als »skandalös«.

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