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Ein kräftiger Schluck als Kompromiss
Die FDP wird bei den Ampel-Verhandlungen in Sachen Schuldenbremse auf Grüne und SPD zugehen müssen
Beim Geld hört der Spaß bekanntlich auf. Und so gilt bei aller demonstrativ zur Schau gestellten neuen Einigkeit das Thema Finanz- und Steuerpolitik als schwierigste Frage bei den Verhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP zu einer Ampel-Koalition. »Die roten Linien der FDP sind bekannt: keine Steuererhöhungen und keine Aufweichung der Schuldenbremse unseres Grundgesetzes«, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, dem »Spiegel«.
So wundert es nicht, dass man bei der FDP trotz der Vorentscheidung zur AmpelSondierung immer mal wieder betont, dass eine Koalition mit der Union durchaus auch noch eine Option wäre. Schließlich haben die Liberalen mit der Union beim Thema Finanz- und Steuerpolitik weitaus mehr gemein als mit SPD und Grünen. »Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger spürbar entlasten und damit die unabdingbare Voraussetzung für Impulse in die wirtschaftliche Erholung unseres Landes schaffen«, heißt es im Wahlprogramm der FDP. Sie will zum Beispiel den Solidaritätszuschlag komplett abschaffen und den Spitzensteuersatz erst bei 90 000 Euro Jahreseinkommen greifen lassen, was de facto eine Steuersenkung für Besserverdienende bedeutet.
Das beißt sich natürlich mit dem, was SPD und Grüne im Wahlkampf versprachen. »Ziel ist, dass alle einen fairen Beitrag leisten«, heißt es etwa im Programm der Grünen, die die Vermögenssteuer wieder einführen und den Spitzensteuersatz »moderat« anheben wollen. Bei der SPD sieht man es ähnlich. »Wer sehr viel Vermögen hat, muss einen größeren Beitrag zur Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten«, heißt es in ihrem Wahlprogramm. Man werde eine Einkommensteuerreform vornehmen, die kleine und mittlere Einkommen besser stellt und dafür im Gegenzug die oberen fünf Prozent stärker für die Finanzierung der wichtigen öffentlichen Aufgaben heranzieht.
So wird beim Thema Steuern vermutlich der Kompromiss darin bestehen, dass man das Thema gar nicht erst anfasst oder der FDP eine Reform gibt, bei der auch die anderen beiden ihr Gesicht wahren können. »Ich gehe auch davon aus, dass eine Ampel-Koalition sich nicht auf eine Vermögenssteuer einigen könnte«, sagte etwa der Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, im »Handelsblatt«-Streitgespräch mit seinem Kollegen vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther. So kann sich Dullien schwer vorstellen, wie die FDP ihren Wähler*innen eine Vermögenssteuer verkauft.
Bei der anderen roten Haltelinie, der Schuldenbremse, wird sich die FDP beweglicher zeigen müssen. Denn dass es erheblichen Investitionsbedarf in Sachen Klimaneutralität, Digitalisierung und Co. gibt, scheint gesetzt zu sein. »Wir Freie Demokraten wollen, dass im Jahr 2025 in Deutschland 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts investiert werden«, schreibt die FDP in ihrem Wahlprogramm. Zwar soll das ihrer Meinung nach hauptsächlich privat geschehen, doch soll auch der Staat seine Hausaufgaben machen: »Der Staat muss seine Investitionen sowie die sonstigen steuer- und wirtschaftspolitischen Instrumente so einsetzen, dass auch private Unternehmen gern in Deutschland investieren.«
So wird ihre Forderung nach gleichzeitiger Steuersenkung und einem Zurück zur Schuldenbremse zuweilen als eine Quadratur des Kreises bezeichnet, die man nicht gleichzeitig hinkriegt. Die Grünen indes wollen die Schuldenbremse reformieren, »so dass die Tragfähigkeit der zukünftigen Zinslast gewährleistet ist, und zugleich die so dringenden Investitionen« möglich sind.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, schlug den Koalitionär*innen in spe am Dienstag im ZDF-»Morgenmagazin« als Kompromiss vor, dieses Jahr noch mal »einen kräftigen Schluck aus der Pulle« zu nehmen und Kredite für die nötigen Investitionen aufzunehmen. Denn dieses Jahr ist die Schuldenbremse infolge der Coronakrise-Maßnahmen noch ausgesetzt. Dies sei »völlig konsistent mit der Schuldenbremse« und auch der FDP »vermittelbar«, so Fratzscher. Nur so sei deren Wunsch, in den nächsten Jahren 80 Milliarden Steuern zu senken, durchsetzbar.
Die Höhe der notwendigen Investitionen in Digitalisierung und Klimaschutz beziffert Fratzscher auf insgesamt 500 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren. Diese Hausnummer zeigt auch, dass die FDP schwer ums Thema Investitionen herum kann. Denn das ist sowohl von Arbeitgebern wie von Gewerkschaften schon lange gesetzt. So sorgten der Industrieverband BDI und der DGB im Herbst 2019 für Aufsehen, als sie gemeinsam eine Investitionsoffensive der öffentlichen Hand forderten. »Die Politik steht in der Pflicht, den Industriestandort Deutschland zu bewahren und zu verbessern, um dauerhaft Wohlstand und Beschäftigung zu sichern«, sagte der damalige BDI-Chef Dieter Kempf. Wie hoch die Investitionen sein sollten, ließen BDI und DGB die beiden Wirtschaftsinstitute IW und IMK in einer gemeinsamen Studie berechnen. Ihr Ergebnis: Rund 450 Milliarden Euro - also ungefähr die Hausnummer, die auch jetzt im Gespräch ist.
Die FDP scheint offenbar auch schon zu wissen, dass mit dem Einhalten der Schuldenbremse kein Blumentopf zu gewinnen ist. Die schwarze Null sei nicht sein Ziel, sondern eine »Prestigefrage der Union«, blinkte FDP-Chef Christian Lindner bereits vor der Wahl Richtung SPD und Grüne.
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