- Ratgeber
- Ehestreit
Der Familienkreis ist eine »beleidigungsfreie Sphäre«
Äußerungsfreiheit bei Streit innerhalb der Familie
Ein Ehestreit endet bisweilen mit heftigen Wortattacken der beteiligten Familienmitglieder. Mitunter fallen dabei auch Bemerkungen sozusagen »unterhalb der Gürtellinie«.
Bleibt zu fragen: Hat der so heftig und grob Gescholtene rechtlich überhaupt eine Möglichkeit, solche Äußerungen oder Beleidigungen zu verbieten?
Die Antwort: Im engsten Familienkreis gibt es eine besondere Äußerungsfreiheit. Diesen Grundsatz bestätigte in einem aktuellen Fall auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az. 16 W 54/18).
Dieser Grundsatz gelte auch gegenüber dem Gericht, den Jugendämtern oder der Polizei. Andernfalls könnte man seine Rechte nicht richtig wahrnehmen, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
Der Fall: Bei einem heftigen Ehestreit forderten die Eltern den Sohn auf, das Zimmer zu verlassen. Als er dies nicht tat, packte der Vater den Sohn am Nacken und schob ihn in sein Kinderzimmer. Danach verließ der Vater die Wohnung.
Die Mutter nahm ein Video vom weinenden Sohn auf, auf dem zu sehen war, dass er sich immer wieder an den Hals fasste. Dieses Video übergab sie ihrer Mutter. Die Mutter wiederum fertigte ein Protokoll an, indem sie die einzelnen Vorfälle dokumentierte. Demnach soll der Vater psychische und physische Gewalt gegen die Mutter und das Kind ausgeübt haben, so die Aussage.
Das Video und Protokoll schickte sie per WhatsApp an ihre Schwester, an die gemeinsame Mutter und an eine Cousine. Ferner übergab sie das Material dem Jugendamt und der Polizei. Dort stellte sie Strafanzeige gegen ihren Schwiegersohn. Der wiederum forderte, der Schwiegermutter die Verbreitung der Protokolläußerungen zu untersagen.
Das Urteil: Der Vater hat keinen Unterlassungsanspruch, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Zwar habe auch er einen grundrechtlichen Schutz auf Ehre, dieser Schutz müsste allerdings im konkreten Fall zurücktreten. Im engsten Familienkreis und gegenüber Behörden solle jedem ein persönlicher Freiraum gewährt sein. In diesem Freiraum sollte man sich gegenüber seinen engsten Verwandten frei aussprechen und seine Emotionen ausdrücken können - und zwar ohne eine gerichtliche Verfolgung befürchten zu müssen.
Die Vertraulichkeit des Gesprächs werde dabei vorausgesetzt. Die Verbreitung über WhatsApp stehe dazu nicht im Widerspruch. Gleiches gelte gegenüber Jugendamt und Polizei. Man müsse Behörden über angebliche Missstände informieren dürfen, erläuterte Rechtsanwalt Swen Walentowski vom Deutschen Anwaltverein die gerichtliche Entscheidung.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.