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Transgender: Selbstbestimmung reicht nicht
Jeja nervt: Ein drittes Kollektivpronomen steht auf dem Wunschzettel
Im Mai stellten Grüne und FDP Gesetzesentwürfe zu einem »Selbstbestimmungsgesetz« im Bundestag zur Abstimmung. Leider scheiterten die an der Großen Koalition. Doch nicht erst seitdem ist der Wert der Selbstbestimmung in trans- und intergeschlechtlichen Kreisen in aller Munde. Klar: Wessen Geschlecht von Beginn an von anderen falsch deklariert und ausgedeutet worden ist, wünscht sich, endlich selbst bestimmen zu dürfen. Ich bin etwa bis heute davon ausgeschlossen, meinen Namen in meinen Ausweis eintragen zu lassen.
Doch Selbstbestimmung ist ein Ideal, das über eine liberale, durchindividualisierte Gesellschaft nicht hinaus verweist. Die Emanzipation geschlechtlich marginalisierter Gruppen bedarf etwas anderen als des Rechts der Einzelnen, allein zu bestimmen, wie sie genannt und angesprochen werden. Denn geschlechtliche Identität ist mehr als ein bloß subjektives Gefühl. Sie ist eine objektive Wahrheit. Statt des bloßen Respekts vor Namen, Pronomen und Identitätskategorien bedarf es kollektiver Anerkennungsformen. Die sind aber nur zu haben, wenn die anderen ein- und nicht ausgeschlossen werden.
Es ist aus dem Gravitationsschwerpunkt heraus, den der Wert der Selbstbestimmung in »meinen« Kreisen bildet, kein Wunder, dass ausgerechnet Twitter der Ort ist, an dem sich der Diskurs um die Rechte marginalisierter Geschlechter konzentriert. Das Medium ist weniger nach sozialen Beziehungen, Freund*innenschaften und Standpunkten organisiert. Ein Tweet erreicht schnell alle, die sich für dessen Thema interessieren - auch im Negativen. Politische Kontrahent*innen stoßen aufeinander und feinden sich an.
Der Ton auf Twitter ist rau. Dass ein Standpunkt in 280 Zeichen passen soll, minimiert den Spielraum für die Zwischentöne, das Differenzieren, die Vogelperspektive zusätzlich. Doch wo der soziale Zusammenhang schon aus Prinzip prekär ist, muss er umso offensiver hergestellt werden. Ein- und Ausschlüsse werden beinahe täglich durch Aggression, Gegenaggression und Konformismus produziert.
Politische Twitter-Nutzer*innen sind darum so etwas wie die Ich-AGs des sozialen Engagements. Dass Selbstbestimmung gerade dort großgeschrieben wird, wo sich stets selbst behauptet werden muss, kann daher kaum verwundern. Und so popularisieren sich hier die ärgerlichsten Blüten des Trans-Aktivismus. Vernünftige gemeinsame Begriffsbestimmungen haben kaum Chancen. Man ist einander ein Wolf.
Doch damit ein Individuum ein gelungenes Leben führen kann, bedarf es der Anerkennung, der Gemeinsamkeit und des geteilten sprachlichen Horizonts. Das bedeutet eben auch, ein Stück weit auf den eigenen, radikal autonomen, frei flottierenden Geist, auf Selbstidentität, zu verzichten. Es heißt, sich in Zuneigung zu und Kollektivität mit anderen zu verlieren. Und weil die Wahrheit des Menschen sein Charakter als soziales Wesen ist, geht das Herausfallen aus gesellschaftlichen Anerkennungsformen auch mit hohen psychischen Kosten einher.
Symptome von Persönlichkeitsstörungen und destruktiven Tendenzen, die wir alle in uns tragen, verstärken sich. Die Freiheit des Individuums ist nämlich ein patriarchales Paradox: Je »freier« es ist, desto unfreier wird es. Wer das verstehen will, ziehe sich dazu nur mal Männer rein.
Ein Ärgernis, das aus diesem Fundamentalismus der Selbstbestimmung resultiert, ist die Vervielfältigung von Pronomen, mit denen manche nichtbinäre Menschen angesprochen werden. Ich verweigere ihnen die nicht. Es ist jedoch so, als würde man aus Trotz darüber, gesellschaftlich ausgegrenzt zu sein, noch weiter aus der Gesellschaft fortstreben. In sie hineinwollen hieße, ein (!) drittes Kollektivpronomen zu bilden, das Chancen darauf hätte, Anerkennung zu finden - wie »they« im Englischen. Ich schlage das deutsche Genus Neutrum vor: »es«. Wie in »das Christkind«. Ich schreibe es ihm gleich mal auf meinen Wunschzettel.
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