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Die Rückkehr der Beamten

SPD und Grüne wollen Verbeamtung der Lehrkräfte gegen Die Linke durchsetzen

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ich kann mich nur wiederholen: Die Verbeamtung wird das Problem des Lehrkräftemangels in Berlin definitiv nicht lösen«, sagt Regina Kittler zu »nd«. Immer wieder hat sich die langjährige bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus mit deutlichen Worten gegen die Wiedereinführung der 2004 abgeschafften Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern gestemmt. Allein, Kittlers energischer Kampf scheint nun verloren. Das rot-grün-rote Sondierungspapier für die anstehenden Koalitionsverhandlungen in Berlin enthält zur Bildungspolitik der nächsten fünf Jahre neben zahlreichen Allgemeinplätzen zumindest eine klare Ansage: Die Verbeamtung soll zurückkehren.

Dass es dazu kommen könnte, hatte sich abgezeichnet, nachdem erst die SPD- und dann die Grünen-Spitze die Verbeamtungsdiskussion als Wahlkampfschlager für sich entdeckt hatten. Begründung: Berlin sei das einzige Bundesland, das seine Lehrkräfte nicht verbeamtet und sich somit im Ringen um dringend benötigte Fachkräfte mit einem »Wettbewerbsnachteil« herumschlagen müsse. »Wie viele Lehrerinnen und Lehrer glauben die denn, damit zu gewinnen? Vielleicht 200, dabei brauchen wir jährlich mindestens 2000«, sagt Regina Kittler, deren Linkspartei als einzige Partnerin der alten und wohl auch neuen Mitte-links-Koalition bei ihrem strikten Nein geblieben ist. Auch und vor allem, weil bei Weitem nicht alle Lehrkräfte verbeamtet werden können. Wer über 45 Jahre alt ist oder eine Vorerkrankung hat, ist beispielsweise raus. Eine Spaltung der Kollegien an den Schulen wäre damit vorprogrammiert.

Franziska Brychcy, Kittlers voraussichtliche Nachfolgerin als bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, spricht angesichts der Verbeamtungspassage im Sondierungspapier dann auch von »einer schweren Hypothek für uns«. Da helfe es auch wenig, dass - offenkundig als Entgegenkommen an die Sozialisten - in den Leitlinien zum »Nachteilsausgleich« für diejenigen, die nicht verbeamtet werden können oder wollen, »ein Lösungsmodell« in Aussicht gestellt wird.

Zum einen sei überhaupt nicht klar, »wie eine solche rechtssichere Kompensation aussehen kann«, so Brychcy am Dienstagabend auf dem Linke-Landesparteitag. Zum anderen gebe es einen solchen »Nachteilsausgleich« ja nicht zum Nulltarif, egal, ob er nun über Lohnerhöhungen erreicht wird oder über die Senkung des Stundendeputats, wofür wiederum noch mehr Lehrkräfte eingestellt werden müssten: »Dafür braucht es Finanzmittel, die wir ja nicht unendlich haben.«

Harsche Kritik an der neuen Linie kommt nicht zuletzt von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die sich - wie die Linke zuvor auch - gegen die Rückkehr zur Verbeamtung ausspricht. »Die künftige Regierung wird sich auf Gegenwind einstellen können«, sagt Berlins GEW-Chef Tom Erdmann zu »nd«. »Wir haben seit Monaten versucht, konstruktive Gespräche mit den Parteien zu führen und dabei deutlich gemacht, welche Probleme sich genau damit nicht lösen lassen.« Es seien eben nicht das Gehalt und die Vorteile des Beamtenstatus, an die der Senat rangehen müsse, sondern die Arbeitsbedingungen vor Ort in den Schulen. Auch bringe die Verbeamtung wenig, wenn Berlin nicht endlich eine »Ausbildungsoffensive« starte. Jahr für Jahr machen nur um die 900 Lehramtsstudierende einen Master in Berlin. Nötig wären 2000, besser noch 3000.

Die Zielzahl 3000 hat es am Dienstagabend immerhin dann auch in den Leitantrag der Linken für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen geschafft. Franziska Brychcy erklärte dazu, dass es jetzt darum gehe, die bildungspolitischen Vorhaben von Rot-Grün-Rot »in eine progressive, linke Richtung zu verschieben«. Auch Regina Kittler, die zwar dem nächsten Berliner Landesparlament nicht mehr angehören wird, wohl aber der Arbeitsgruppe für Bildung in den Koalitionsgesprächen, läuft sich bereits warm: »Mit mir werden sie es nicht so leicht haben. Das hat einfach auch mit dem linken Bildungsanspruch zu tun - und da werden wir kämpfen.«

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