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Lukaschenko geht gegen Telegram vor
Die belarussische Regierung verschärft die Verfolgung unabhängiger Social-Media-Kanäle
Praktisch alle oppositionellen Internetseiten und Kanäle in den sozialen Medien wurden in Belarus bereits als extremistisch eingestuft. Doch nun zündet die Regierung von Alexander Lukaschenko die nächste Eskalationsstufe: Künftig könne schon das Abonnieren und Lesen solcher Kanäle mit bis zu sieben Jahren Haft bestraft werden, gaben die Strafverfolgungsbehörden bekannt. Die neue Regelung zielt vor allem auf den beliebten Nachrichtendienst Telegram, der in Osteuropa viel für den politischen Austausch genutzt wird und sich staatlicher Regulierung bisher entziehen konnte.
Über 170 Kanäle, darunter 100 von Telegram, sind von der Gesetzesverschärfung betroffen, lässt sich delikaterweise auf der Telegram-Seite der zuständigen Behörde nachlesen. Darunter sind fast alle in Belarus relevanten Informations- und Meinungsquellen jenseits der Regierungslinie. Zum Teil handelt es sich um große Anbieter mit Hunderttausenden Abonnenten. Einige davon, wie das bekannte Internetportal tut.by, arbeiteten noch bis vor wenigen Monaten legal im Land. Mittlerweile wurden sie aber aus Belarus vertrieben.
Der Politologe Pawel Usow spricht in der Moskauer »Nesawissimaja Gaseta« von einem Versuch der Minsker Regierung, die eigene Gesellschaft in die Zeit vor der modernen Informationsgesellschaft zurückzuversetzen. Nur so könne das »Überleben des archaischen Systems Lukaschenko« garantiert werden, meint Usow. Angesichts der vielen Informationskanäle im Internet könne die Regierung ihr Ziel nur erreichen, wenn sie die sozialen Netzwerke im eigenen Land zerschlage.
Andere Analysten denken, dass die belarussischen Behörden mit der neuen Regelung nur die Reichweite der oppositionellen Kanäle verringern wollen - und damit auch ohne deren Abriegelung erfolgreich sein könnten. Würden die ersten Leute wirklich wegen des Abos eines Telegram-Kanals verhaftet, spräche sich dies schnell herum und halte viele vorsichtigere Zeitgenossen vom Lesen unabhängiger Informationen ab. Dies sei vor allem dann wahrscheinlich, wenn die Nachrichtenkonsumenten nicht zum harten Kern der Lukaschenko-Gegner gehörten und die Kanäle bisher als Alternative zu den gleichgeschalteten belarussischen Staatsmedien folgten.
Flankiert wird Lukaschenkos Strafandrohung durch weitere Maßnahmen. So können Angestellte künftig suspendiert werden, wenn sie Kollegen zum Fernbleiben von der Arbeit bewegten - ein Vorgang, den es zur Zeit der großen Oppositionsproteste häufiger gab. Anwälten von Oppositionellen droht laut »Nesawissimaja Gaseta« der Entzug der Lizenz. Die Maßnahmen sind so weitgehend, dass die Zeitung in Anspielung auf George Orwell bereits von einer Bekämpfung von Gedankenverbrechen spricht.
Dass Alexander Lukaschenko bei der Unterdrückung abweichender Meinungen, die nicht einmal oppositionell sein müssen, sehr weit geht, demonstrierte er bereits vor wenigen Wochen. Wegen eines einzelnen Artikels ließ er die kremlnahe russische Zeitung »Komsomolskaja Prawda« aus Belarus vertreiben. Dabei nahm der belarussische Präsident sogar möglichen Ärger mit Russland in Kauf, der einzigen ihn noch stützenden Macht. Alles nur, um eine nicht immer meinungskonforme Pressestimme in Belarus zum Schweigen zu bringen.
Doch aus Moskau kam nur zurückhaltender Protest. Der belarussische Analyst Artjom Schrajbman führt die verhaltene Reaktion auf den Wunsch der russischen Regierung zurück, öffentliche Auseinandersetzungen mit Alexander Lukaschenko zu vermeiden. Dennoch belaste das Vorgehen gegen die Zeitung Lukaschenkos Beziehungen zum Kreml. Bei einigen Gruppierungen im russischen Regierungsapparat sei der belarussische Präsident mittlerweile sehr unbeliebt.
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