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Neuer Flickenteppich in Österreich
Regierung in Wien zögert trotz steigender Zahl von Corona-Infektionen mit strengeren Maßnahmen
Lange hat man in Wien nur zugesehen, wie die Zahlen steigen und anscheinend auf einen Bonus dank der Impfungen gehofft. Und sehr lange hatte man in Wien auch verhandelt über einen bundesweiten Maßnahmenautomatismus - und sich sogar geeinigt. Jetzt aber liegt die Inzidenz bundesweit mit 430 dramatisch hoch. Vor allem in Oberösterreich und Salzburg droht die Lage dieser Tage aus dem Ruder zu laufen: Dort liegt die Inzidenz aktuell bei 660 und 621.
Vor allem die Tendenz ist es, die Politik und Wissenschaft verblüfft, mit täglich neuen Höchstständen bei der Zahl der Neuinfektionen. Langsam kriechen die Zahlen auf das Niveau der schlimmen zweiten Welle vom Herbst 2020. Nur das Déjà-vu bleibt aus, denn damals war bereits bei weitaus niedrigeren Werten die Reißleine gezogen worden - aber das Wort Lockdown möchte heute niemand mehr in den Mund nehmen: Der Handel ist ohne Einschränkungen offen, in den Bierbuden am Eck wird schon vormittags gezecht und in den Shopping-Centern ist maskenfrei die Hölle los.
Der vereinbarte Fünf-Stufen-Plan der Regierung hinkt der Lage schon jetzt hinterher. Vereinbart worden war ein Set an Maßnahmen, das je nach Auslastung der Intensivstationen greifen soll. Nun wurde die Belegungszahl von 300 überschritten, ab der Stufe zwei fällig ist. Diese soll ab kommendem Montag in Kraft treten. Nur dann dürften schon 400 Betten belegt sein, die für Stufe drei ausschlaggebend sind. Und ab dieser wird es heikel: Laut Übereinkunft hätten dann erstmals im Land nur mehr Geimpfte und Genesene Zutritt zu Nachtgastronomie und Massenveranstaltungen.
Dabei ist schon Stufe zwei kompliziert genug, denn die fehleranfälligen Antigen-Tests sollen ab dieser Stufe nicht mehr anerkannt werden. Das PCR-Testangebot ist aber vor allem in ländlichen Regionen kaum flächendeckend. Zudem gilt seit Anfang November eine 3G-Regel auch für den Arbeitsplatz - wodurch die bestehenden Testkapazitäten bereits stark beansprucht sind. Und jetzt steigen auch noch die Vertreter der Beschäftigten und der Unternehmer in seltener Allianz auf die Barrikaden. Ihre Kritik: Faktisch komme die Nicht-Anerkennung der Antigen-Tests einer Impfpflicht gleich.
Die Impfungen sind Österreichs Achillesferse. Die Durchimpfung stagniert bei knapp über 60 Prozent. Und was eine niedrige Rate bedeutet, das führt derzeit Oberösterreich vor: Dort sind nur knapp über 50 Prozent geimpft. Das Land hat seit Wochen die mit Abstand höchste Inzidenz und auch die kritischste Intensivauslastung.
All das hat ein politisches Vorspiel: Erst im September war in Oberösterreich eine neue Landesregierung gewählt worden. Die Frage der Impfungen war das zentrale Thema im Wahlkampf. Die Folge: Die Impfgegner-Partei MFG schaffte aus dem Stand 6,2 Prozent und zog mit drei Sitzen in den Landtag ein.
Wie groß der Frust in der Administration in Oberrösterreich - aber nicht nur dort - inzwischen ist, das veranschaulichte zuletzt die Leiterin des oberösterreichischen Krisenstabes, Carmen Breitwieser, in einem TV-Interview. Auf die Frage, wieso denn die Impfrate in Oberösterreich so niedrig sei, sagte Breitwieser: »Das fragen wir uns selbst täglich.« Dann stellte sie die Schwarmintelligenz der Bürger in Frage, indem sie über die Bevölkerung sagte: »Wenn diese nicht spürt, dass die Maßnahmen notwendig sind, ist es schwer, dass sie eingehalten werden.« Ihre Impfung abholen müssten sich die Bürger »schon selbst«. Es sei trostlos, wenn die »Bevölkerung nicht versteht, dass es um alles oder nichts geht«. Nebenbei bemerkt: Sowohl der Landeshauptmann wie auch die Gesundheitslandesrätin hatten das Interview abgelehnt und Breitwieser vorgeschickt.
In Anbetracht der dramatischen Zahlen kann es einigen Landeschefs jetzt allerdings nicht schnell genug gehen. Mehrere Regionen, darunter Wien, planen Alleingänge bei ihren Maßnahmen. Wien war bereits in der Vergangenheit immer eher auf der Seite der Vorsichtigen. In der Hauptstadt gilt ab Ende nächster Woche die 2G-Regel für Lokale und Friseure. Oberösterreich verschärft die Testregelungen, baut das PCR-Angebot aus und hat eine Impflotterie ins Leben gerufen. Die Alleingänge in Oberösterreich und Wien konterkarieren ein zentrales Projekt von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne): Die landesweite Vereinheitlichung der Maßnahmen mit dem Ziel, sie übersichtlicher zu machen. Denn jetzt entsteht wieder ein Flickenteppich an Regeln.
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