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  • Frankreich verschärft Corona-Regeln

Macron appelliert

Franzosen mehrheitlich für Impfpflicht medizinischen Personals - Ungeimpften droht Entlassung

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

Präsident Emmanuel Macron hat in einer Fernsehansprache am Dienstagabend eine Zwischenbilanz der Pandemie-Bekämpfung gezogen und neue Maßnahmen verkündet. Er begrüßte, dass bereits 51 Millionen Franzosen geimpft sind, und appellierte an das Verantwortungsbewusstsein der sechs Millionen Ungeimpften. Von den über 65-Jährigen und den Langzeitkranken hat sich bisher nur die Hälfte für eine dritte Impfdosis entschieden; ab 15. Dezember wird die Drittimpfung für sie zur Pflicht, davon hängt künftig die Gültigkeit des Corona-Impfpasses ab, den man für den Zugang zu Läden, Restaurants oder Kinos benötigt. Begründet wird das mit der größeren Anfälligkeit für die Krankheit. Die über 60-Jährigen stellen zwar nur 22 Prozent der Corona-Kranken, aber 76 Prozent der Krankenhauspatienten. Da 83 Prozent der Corona-Kranken auf Intensivstationen älter als 50 Jahre sind, will man der Altersgruppe zwischen 50 und 64 ab sofort eine dritte Impfung anbieten.

In der Fernsehansprache Mitte Juli hatte Macron eine absolute Impfpflicht angekündigt für das gesamte Personal in Krankenhäusern, Arztpraxen, Alters- und Pflegeheimen sowie im Krankentransport ebenso wie für die Feuerwehr, den Zivilschutz, die Polizei und die Gendarmerie. Dies sei unerlässlich, argumentierte der Präsident, um die Beschäftigten selbst, aber vor allem die Patienten zu schützen und es entspreche dem in der Verfassung der Republik verankerten Solidarprinzip. Durch ein Anfang August verabschiedetes Gesetz wurde diese Impfpflicht festgeschrieben. Danach mussten die 2,7 Millionen Angehörigen der betroffenen Berufsgruppen bis zum 15. September mindestens die erste Impfung erhalten haben, bis zum 15. Oktober auch die zweite. Wer dies nicht nachweisen konnte, wurde zunächst ohne Lohnfortzahlung von der Arbeit suspendiert. Wer nach einer Bedenkzeit bis 15. November bei seiner Verweigerungshaltung bleibt, wird wegen »schwerer Pflichtverletzung« fristlos entlassen; Ärzten wird drüber hinaus die Approbation entzogen.

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Die Zahl solcher Fälle hält sich in Grenzen. Ende Oktober waren 15 000 Mitarbeiter im Gesundheitswesen noch nicht geimpft: 0,1 Prozent der Beschäftigten. In den öffentlichen Krankenhäusern der Pariser Region mussten 427 von rund 100 000 Beschäftigten suspendiert werden, in Lyon waren es 117 von 23 000. Doch diese Zahlen verringern sich laufend durch diejenigen, die die Impfung nachholen und wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können. Gesundheitsminister Olivier Véran schätzt, dass von den 2,7 Millionen Beschäftigten, die von der Impfpflicht betroffen sind, letztlich nur 3000 entlassen werden müssen. Gleichzeitig versichert er, dass die Suspendierungen »nicht den normalen Betrieb der Gesundheitseinrichtungen beeinträchtigen«.

Umfragen zufolge sind mehr als drei Viertel der Franzosen einverstanden mit diesem rigorosen Umgang mit Impfverweigerern im Gesundheitswesen und in den Alteneinrichtungen. Viele erinnern sich noch an die Anfangszeit der Epidemie, als Altersheimbewohner zu Dutzenden starben, weil sie unzureichend geschützt worden waren, und auf überfüllten Intensivstationen Ärzte entscheiden mussten, wer eine Überlebenschance bekommt. Die Proteste gegen den Impfpass und andere Corona-Maßnahmen, weitgehend getragen durch Verschwörungstheoretiker und politisch angeheizt von Rechtsextremen, die »die Freiheiten bedroht« sahen, sind inzwischen bis zur Bedeutungslosigkeit geschrumpft.

Aufsehen erregte dagegen ein durch die Zeitung »Libération« bekannt gewordener interner Bericht des Gesundheitsministeriums, wonach das langfristige Restrukturierungsprogramm der Regierung für das Gesundheitswesen weiter läuft - ungeachtet der Corona-Pandemie. 2020 wurden landesweit 25 »unrentable« Krankenhäuser komplett geschlossen, in den anderen wurden 5 700 Betten abgebaut. Seit Beginn des Restrukturierungsprogramm 2013 sind es 27 000 Betten, 5,7 Prozent des gesamten Bettenbestands. Doch von den vorhandenen Betten könnten gegenwärtig 20 Prozent wegen Personalmangels nicht belegt werden. Die Regierung versucht, das kleinzureden. In der Fragestunde der Nationalversammlung zitierte Gesundheitsminister Olivier Véran einen Bericht aus 16 Universitätskliniken, wonach nur fünf Prozent der Betten »vorübergehend« nicht zur Verfügung stünden.

Unumstritten ist, dass dieses Defizit nicht durch die vergleichsweise wenigen Pflegekräfte verursacht wird, die wegen ihrer Impfverweigerung suspendiert wurden. Der Gesundheitsminister musste Ende Oktober in einem Zeitungsinterview einräumen, dass nicht nur laufend Personal verloren geht, sondern auch viel zu wenig Ersatz rekrutiert werden kann. »Die Gründe muss man gründlich untersuchen«, versuchte er sich herauszuwinden.

Hauptgrund ist den Gewerkschaften zufolge die schlechte Bezahlung im Gesundheitssektor und in der Altenpflege. Mit 2070 Euro netto liegt das Durchschnittsgehalt der französischen Pflegekräfte unter dem in Deutschland (2383 Euro) und Spanien (2600 Euro). Besonders krass ist der Kräftemangel in Nordfrankreich, weil dort viele Krankenschwestern zur Arbeit lieber ins benachbarte Luxemburg pendeln, wo sie doppelt so viel verdienen können.

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