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Zählen Juden nicht?
David Baddiel über subtilen und lauten Antisemitismus
Der Komödiant macht ernst mit den Leugnern und Verharmlosern. Der 1964 geborene Londoner David Baddiel ist ein in England bekannter Comedian, Gastgeber im Fernsehen, der mit seinen Auftritten auch schon große Fußballstadien gefüllt hat. Er bekennt, Atheist zu sein, steht als linker Künstler und Aktivist auf Seiten der Verdammten dieser Erde, ist Fan des Chelsea Football Clubs - und er ist Jude. Seine Mutter entkam 1939 knapp den Nazis.
In seinem Buch geht es darum, dass Menschen, die über Diskriminierung von Minderheiten beunruhigt sind, sich über Antisemitismus weniger Gedanken zu machen scheinen. »Jews Don’t Count« (Juden zählen nicht) lautet provokant der Titel des englischen Originals, den der deutsche Verlag nicht übernehmen wollte. Der Autor beklagt, »dass inmitten der Intensivierung der Identitätspolitik im progressiven Diskurs die jüdische Identität irgendwie übersehen wird«. Im Vorwort zur deutschen Ausgabe schreibt er: »Doch in Deutschland sind Juden nie abwesend - außer natürlich in körperlicher Hinsicht. Aber der Umstand dieser körperlichen Abwesenheit und ihre historischen Gründe haben allem Anschein nach in eine Erinnerungskultur gemündet, zu der sich das Land selbst gratuliert - Deutschland beglückwünscht sich zu seiner eigenen Selbstaufopferung, indem es sich zum Gedächtnisweltmeister erklärt.«
Baddiels Belege für den Mangel an Aufschrei gegenüber antisemitischer Diskriminierung stammen im Wesentlichen aus England. Seine Beispiele der Leugnung und Verharmlosung von Antisemitismus entnahm er überwiegend dem »sozialen Medium« Twitter. Baddiel entdeckt mangelnde Empathie mit den diskriminierten Juden aber auch bei seinen progressiven Gesinnungsfreunden, die sich ansonsten gegen jegliche Diskriminierungen äußern. Juden scheinen ihnen jedoch wohl nicht so schutzbedürftig wie etwa Coloured People. Juden leben aber (außer in Israel) nirgendwo sicher, nicht in der »weißen« Mehrheitsgesellschaft in Europa und auch nicht in den USA.
Der Autor ist hochsensibilisiert. Er erkennt auch in vordergründig »harmlos« erscheinenden Äußerungen oder Handlungen einen subtilen, oft auch lauten Antisemitismus. Er legt den Finger in die Wunden. Er hat kein wissenschaftliches Werk verfasst, wer ein solches sucht, greife zur großartigen philosophischen Kritik »Anti-Anti-Semitismus« von Elad Lapidot. Baddiels Buch wendet sich an alle. Es macht nachdenklich und hätte auch in der deutschen Version die beißende Ironie des Originaltitels verkraftet: »Jews Don’t Count«.
David Baddiel: Und die Juden? A. d. Engl. v. Stephan Kleiner. Hanser, 135 S., geb., 18 €.
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