- OXI
- Bier von Quartiermeister
Der Gemeinschaft zum Wohle
Pro verkauftem Liter Bier spendet Quartiermeister zehn Cent an soziale Projekte in der Nachbarschaft
Bier ist ein soziales Getränk. Es ist Anlass oder Begleiter von Begegnungen (»auf ein Bier«), seine entspannende Wirkung stiftet – reale oder eingebildete – Gemeinschaft und wer es allein trinkt, fühlt sich zumindest weniger allein. Auf einer erweiterten Ebene sozial ist das Bier von Quartiermeister. »Mit uns kann man nicht nur in der Nachbarschaft trinken, sondern für die Nachbarschaft«, erklärt Annika Brümmer, Sprecherin der Berliner Biermarke, die sich als Social Business organisiert hat – inklusive Verein, Unternehmen und Stiftung.
Quartiermeister wurde 2010 in Berlin Neukölln gegründet und hat sich inzwischen über weite Teile der Bundesrepublik ausgebreitet. Seit einiger Zeit gibt es das Bier nicht nur in Kneipen, sondern auch bei Edeka und Rewe, ganz neu ist die nationale Listung bei Alnatura. Die Idee ist im Prinzip simpel: Pro verkauftem Liter Bier spendet Quartiermeister 10 Cent an soziale Projekte in der Nachbarschaft und das bedeutet: dort, wo das Bier getrunken wird. Bis heute seien über 200.000 Euro an mehr als 180 Projekte ausgeschüttet worden, so Brümmer. Seit 2016 sei der gesamte soziale Gewinn von 17.000 Euro pro Jahr bis auf 45.000 Euro 2019 gestiegen.
Dieser Artikel stammt aus OXI - Wirtschaft anders denken. OXI ist eine ökonomiekritische Monatszeitung, die exklusiv für nd-Abonnent*innen in »nd DIE WOCHE« beiliegt. Es liefert ökonomische Hintergründe und Analysen. Mehr über OXI gibt es hier.
Gemeinwohlorientierung soll aber noch mehr bedeuten als bloß Spenden: Quartiermeister versucht, die Wertschöpfung »so regional und korrekt wie möglich aufzubauen«, erklärt die Website. Das Unternehmen braut das Bier nicht selbst, für den größten Teil Deutschlands liefert es die Stadtbrauerei Wittichenau in der Lausitz, das Bier für Bayern und Baden-Württemberg kommt von der Genossenschaftsbrauerei Gut Forsting bei München.
Die Wahl dieser Brauereien erklärt Quartiermeister damit, dass das Bier gut schmecke und es sich um unabhängige, familiengeführte Brauereien handele. »Es ist uns wichtig, bestehende Strukturen zu nutzen und mittelständische Brauereien zu unterstützen, die zunehmendem Druck großer Konzerne ausgesetzt sind.« Daher habe man damals auch keine passende Brauerei in der Nähe von Berlin gefunden, die zum einen unabhängig agiert und zum anderen die benötigten Mengen produzieren kann, da die großen Berliner Brauereien Teil der Radeberger-Gruppe sind, die wiederum Dr. Oetker gehört.
Ein weiterer Vorteil kleinerer Brauereien sind laut Brümmer die weitgehenden Möglichkeiten der Kooperation. »Auf unser Bestreben hin hat sich die Brauerei Wittichenau bio-zertifizieren lassen, bezieht Öko-Strom und ist auf einen regionaleren Malz-Lieferanten umgestiegen.« Zudem warb Quartiermeister per Crowdfunding Gelder ein, mit denen die Brauerei Anlagen zur Produktion von alkoholfreiem Bier kaufen konnte.
Um seine Ziele zu verfolgen und seine Unabhängigkeit zu gewährleisten, hat sich Quartiermeister eine besondere Konstruktion gegeben. Aus dem zu Anfang ehrenamtlichen Biervertrieb ist ein Unternehmen mit zehn festangestellten Personen geworden, die sich um Vertrieb und Vermarktung kümmern. Organisiert ist das Unternehmen als GmbH, da eine gemeinnützige GmbH ausschließlich Erträge für den gemeinnützigen Zweck erwirtschaften darf, erklärt Brümmer: »Wir wollen und müssen ja Profit machen. Wir müssen unsere Kosten decken wie jedes andere Unternehmen auch. Und wir möchten wachsen, um noch mehr Projekte unterstützen zu können.« Insgesamt, beklagt sie, existiere noch keine passende Rechtsform für Sozialunternehmen wie Quartiermeister. Sie wünscht sich eine stärkere Förderung auf politischer Ebene. Schließlich hätten Sozialunternehmen aufgrund ihrer (eigenen) strengen Richtlinien und höheren Ansprüche meist auch höhere Kosten und damit einen Wettbewerbsnachteil. Diesen sollte der Staat ausgleichen, etwa durch steuerliche Vergünstigungen bzw. realistische Bepreisungen der CO2-Emissionen oder strengere Vorgaben innerhalb der Lieferketten, um das Modell der Sozialunternehmen zu fördern, bei denen der Profit kein Selbstzweck, sondern Mittel für andere Zwecke sei.
Kontrolliert wird die Quartiermeister GmbH durch den dazugehörigen Quartiermeister e.V., der auch die Fördermittelvergabe übernimmt: Aus allen Anträgen auf die Förderung trifft der Verein eine Vorauswahl besonders förderwürdiger Projekte. Im Anschluss entscheidet die Allgemeinheit per Online-Voting, an welche Projekte die Förderungen gehen. Pro Projekt gibt es 1.000 bis 2.000 Euro. Seit Kurzem hat Quartiermeister auch eine Stiftung, die die Markenrechte hält. »Damit wird ausgeschlossen, dass Quartiermeister verkauft werden kann. Unsere Vision und Mission sind somit für immer geschützt«, so Brümmer.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.