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Feministische Neugründung

Unter der Führung der Arbeitsministerin Yolanda Díaz wird in Spanien an einem neuen linken Projekt geschmiedet

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 5 Min.

Ein Projekt ist bereits im Aufbau«, hatte Yolanda Díaz Ende September auf dem Fest zum 100. Geburtstag der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE) erklärt, der die Arbeitsministerin und Vizepräsidentin angehört. Es gehe darum, ein »Projekt für das Land aufzubauen, für seine Menschen, für Frauen, für Jugendliche und Rentner«, ein ökologisches Projekt, in dem »unsere Töchter mit Würde leben können«, keinen »Scheißjob machen müssen, weil sie keine Alternative haben«. Die Zuhörer antworteten mit Sprechchören: »Yolanda presidenta«. Díaz als künftige spanische Ministerpräsidentin ist die Vision.

Yolanda Díaz erhält bei Umfragen die besten Noten in der politischen Klasse. Um die Politikerin herum wird für die Wahlen 2023 an einem Projekt geschmiedet, das inoffiziell »Frente Amplio« (Breite Front) genannt wird. Bei einem hochrangigen Treffen am 13. November im Theater Olympia in Valencia bekommt es seinen ersten klar sichtbaren Ausdruck. An der Veranstaltung nehmen neben Díaz unter anderen die Bürgermeisterin von Barcelona Ada Colau und die Vizepräsidentin von Valencia, Mónica Oltra, teil. Díaz führt schon die Linkskoalition »Unidas Podemos« (UP) an, in die die von der PCE geführte »Vereinte Linke« einst nur zähneknirschend eingetreten war. In UP gibt bisher Podemos den Ton an, doch die Partei steckt in einer tiefen Krise, weshalb Díaz an der Erneuerung der Linkskoalition arbeitet. Im UP-Machtgefüge hat sich mit dem Abgang von Parteigründer Pablo Iglesias einiges verändert. Iglesias führte sowohl Podemos als auch UP. Offensichtlich hält Díaz dieses Projekt für überholt oder gescheitert. Díaz befindet sich nun in der Phase des »aktiven Zuhörens«. Sie hat die Absicht, nach Spaltungen und Zerwürfnissen die Linke wieder zu vereinen. Sie will sie auch breiter aufstellen, um eine geeinte Wahloption links von den Sozialdemokraten (PSOE) zu schaffen. Deshalb reiste sie Anfang September ins katalanische Barcelona, um sich mit Bürgermeisterin Ada Colau zu besprechen. Kurz darauf war sie bei Mónica Oltra in Valencia zu Besuch. Die Vizepräsidentin der Regionalregierung Valencias sei ein »kollektiver Bezugspunkt«.

Auf Einladung von Oltra soll am Samstag über eine »andere Politik« gesprochen werden. Was zum Beispiel anders sein soll, wird über die Teilnehmerinnen deutlich. Denn es wurden nur Frauen eingeladen. Neben Colau auch Mónica García, das Aushängeschild von »Más Madrid«. Die Partei des ehemaligen Podemos-Mitbegründers Íñigo Errejón wurde im Mai zweitstärkste Kraft bei den Regionalwahlen und verdrängte die PSOE. Und das, obwohl García mit Iglesias von Podemos einen zusätzlichen Kontrahenten im eigenen Lager hatte. Eingeladen ist auch Fátima Hamed Hossain, Chefin der Bewegung für Menschenwürde und Bürgerrechte (MDyC). Die Muslimin kam bei Regionalwahlen in der Exklave Ceuta auf gut elf Prozent.

Wie Díaz will auch die im nordrhein-westfälischen Neuss geborene Oltra die Politik feminisieren. Man wolle mit der Zusammenkunft zeigen, »dass es Formen gibt, eine feministische Führung auszuüben.« Das erklärt die linksnationalistische Politikerin mit kommunistischen Wurzeln in Interviews, die sie derzeit gibt. »Wir haben eine horizontalere, freundlichere und weniger phallische Art, Politik zu machen«, fügt sie an. Es gehe um den Kampf gegen »Ungerechtigkeiten und den Aufbau eines Mutterlands«.

Da es für eine mögliche gemeinsame breite Kandidatur in ihrer Koalition »Compromís« Widersprüche gibt, versucht Oltra die Frage tief zu hängen. Auch Colau will nicht von einer »Wahlplattform« oder von einem »Wahlakt« sprechen und Díaz trennt das Treffen vom Projekt einer »Frente Amplio« ab. Abkaufen will ihnen das niemand. Zudem hatte Oltra klargestellt, dass sie nur in einem großen Projekt mitmachen werde, wenn neben Podemos auch Más Madrid dabei ist. »Errejón ist ein unverzichtbarer politischer Akteur und das gleiche denke ich über Mónica García.«

Für Valencia fällt allerdings auf, dass alle Podemos-Aushängeschilder nicht eingeladen sind, weder die neue Chefin Ione Belarra noch die Ministerin für Gleichstellung Irene Montero. Bei Podemos ist man verstört darüber, gibt sich offiziell aber gelassen. Es handele sich bei dem »Frauengipfel« nur um einen »von Oltra organisierten Akt«. Dass hinter den Kulissen die Wellen hochschlagen, kann man auch daran ablesen, dass nachträglich eher unbekannte Podemos-Mitglieder wie Pilar Lima als »bevorzugte Gäste« zum öffentlichen Akt im Theater Olympia eingeladen wurden.

Offene Stellungnahmen erhält man von Podemos auf nd-Anfrage nicht. Es wurde Schweigen verordnet. Spekuliert wird in der Partei darüber, ob die PCE über die IU das Heft in die Hand nehmen will, Podemos nur noch als ein Juniorpartner dabei sein soll. Linke Kräfte aus dem Baskenland, Galicien oder Katalonien, die sich zu diesen Vorgängen auch nicht offen äußern wollen, vermuten aber, es handele sich um ein Gegenprojekt zur Allianz der aufstrebenden linksnationalistischen Parteien. In Galicien, der Heimatregion von Díaz, flog die Marke von Podemos vor einem Jahr aus dem Regionalparlament. Stattdessen wurde der linksnationalistische »Bloco« (BNG) mit 24 Prozent unter Ana Pontón zweitstärkste Kraft.

In Andalusien ist Teresa Rodríguez enttäuscht, nicht eingeladen worden zu sein. Sie hatte sich Díaz angeboten, um in der bevölkerungsreichsten Region Spaniens mit einer »eigenen Stimme« sprechen zu können, um eine »mutige« Politik machen zu können, erklärt sie gegenüber »nd«. Die ehemalige Podemos-Chefin in Andalusien und steht an der Spitze des Wahlbündnisses »Adelante Andalucía« (Vorwärts Andalusien/AA). Sie bekam bei den Regionalwahlen zuletzt 16 Prozent.

Mit Errejóns Más Madrid habe man keine Probleme, vielmehr sei es einst zur Konfrontation mit Podemos und der IU gekommen, als AA für eine gemeinsame Kandidatur bei den Parlamentswahlen eingetreten sei. Rodríguez glaubt, dass Díaz ein gemeinsames Projekt anführen kann. Ihr nimmt sie das Ansinnen und die Dialogbereitschaft auch ab. In Andalusien seien in der Linken die Beziehungen aber »dramatisch zerstört«. Podemos und IU würden über alles hinwegwalzen. Rodríguez und sieben Mitstreiter wurden auf deren Antrag sogar aus der gemeinsamen Fraktion im Regionalparlament geworfen. Ausgerechnet die Kommunisten von Díaz hält sie für eine » unüberwindliche Barriere« für eine gemeinsame spanienweite Kandidatur.

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