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  • "Monitor"-Dokumentation

Knallharte Recherchen und dazu ein Schluck kaltes Wasser

Der Dokumentarfilm »Mit eigenen Augen« begleitet die Arbeit des ARD-Politmagazins »Monitor«

  • Thomas Klatt
  • Lesedauer: 3 Min.

Es sind manchmal quälend lange 110 Minuten, in denen nicht viel passiert, die aber einen Blick in den Redaktionsalltag eines der bekanntesten Politikmagazine im deutschen Fernsehen gewähren. Regisseur Miguel Müller-Frank beobachtet in dem Dokumentarfilm »Mit eigenen Augen« mit einer extrem langsamen Kameraführung die Vorbereitung eines normalen »Monitor«-Magazins, in einer Art Countdown 19 Tage vor der Sendung bis zur Ausstrahlung.

Monitor ist seit seiner Gründung im Jahr 1965 bekannt für investigativen, meinungsstarken und häufig auch polarisierenden Journalismus. Heute wird die Sendung alle drei Wochen in der ARD ausgestrahlt und erreicht durchschnittlich zwischen zwei und drei Millionen Menschen. Auch wenn die Themen brisant sind, vom sexuellen Missbrauch in einer Saarbrücker Kinderklinik bis zu den Hintergründen rechtsradikaler Ideologieanhänger, die zu Mördern werden, der Redaktionsalltag ist von großer Ruhe und Nüchternheit geprägt. Vom WDR-Bürohaus aus schaut man weit über Köln. Die Räume sind steril. Keine Kunst, keine Sitzecken, kein Kicker.

Öffentlich-rechtliche Sender sind eben keine Start-ups. Kein Stolpern über Pizza-Kartons oder leere Bier- und Weinflaschen. Hier trinkt man Wasser, griffbereit gleich kästenweise in der Redaktion. Sonstige Arbeitsmittel: PC, Telefon, Stift, Notizblock. Je zwei Kollegen teilen sich ein Büro, nur der Chef Georg Restle hat mehr Platz. Hier finden auch die Team-Besprechungen statt. Bei aller Diskussionsfreudigkeit, letztlich hat er das Sagen. Er trägt auch die Verantwortung. Denn alles was gesendet wird, muss sauber recherchiert und juristisch wasserdicht sein. Informationen und Aussagen werden ständig gegengecheckt. Verschwommene Fotos von Rechts-Rock-Festivals werden von externen Forensikern verifiziert. Keine Geldfrage anscheinend. Hauptsache, die Geschichte stimmt.

Sieben Tage vor der Sendung kommt dann doch Hektik auf. An der Enttarnung eines gefährlichen Neo-Nazis ist auch ein konkurrierendes Medium, in diesem Fall der »Spiegel« dran. Aber man scheint sich zu kennen. Was habt Ihr? Was bringt Ihr wann? »›Spiegel‹ kommt um 12 Uhr, ›Bild‹ später, Scheiße, oder?!«, wird es plötzlich fäkal. Dann aber ist die WDR-Pressestelle schneller und veröffentlicht die »Monitor«-Recherche zuerst. Ein »Monitor«-Redakteur spricht flugs eine ARD-Sammel-Minute für alle Hörfunkprogramme. Danach herrscht in den verbleibenden Tagen bis zur Sendung wieder Routine: Schneiden, Texten, Abnahme, Moderation: »Machen Sie es gut und bleiben Sie freundlich«, Georg Restles letzter Satz der Sendung. Geschafft!

So klar das distanzierte Beobachtungskonzept des Dokumentarfilms ist, so unklar bleibt, was guten Journalismus wirklich ausmacht. Nichts ist davon zu erfahren, dass es gerade die vielen freien Autorinnen und Autoren außerhalb der öffentlich-rechtlichen Büros sind, die permanent recherchieren, durch das Land fahren, Hintergrundgespräche führen, über Jahre Vertrauen zu Informanten aufbauen, beim Dreh angepöbelt und angegriffen werden, ohne dass ihnen die Anstalten Bodyguards zur Seite stellen. Das alles verbunden mit einer zunehmend prekären Arbeits- und Auftragssituation, über die sich festangestellte Redakteure keine Gedanken machen müssen. Die können auf die zahlreichen Angebote an Themen und Recherchen zurückgreifen und sich die Rosinen herauspicken. Die ganze Vorarbeit geht meist zu Lasten der Freien. In den öffentlich-rechtlichen Redaktionen wird guter Journalismus lediglich verwaltet und geplant und das Endprodukt hergestellt. Immerhin, aber eben auch nicht mehr.

Gerne würde man erfahren, welche Recherche-Honorare etwa für freie Kolleginnen und Kollegen vorgehalten werden. Wer bezahlt die Behandlungs- und Therapiekosten, wenn man bei Demos verletzt wurde? Und wieso buchen Politmagazine gerne vor allem freie Kamerateams, die meist ohne geregelte Pause über alle Maßen durcharbeiten. Das wird in den ganzen fast zwei Stunden leider an keiner Stelle thematisiert. Vielleicht gibt es noch einen Nachfolgefilm, der zeigt, wie guter Journalismus draußen in freier Wildbahn wirklich aussieht und nicht in einem gut gesicherten, warmen und hellen Bürohochhaus.

»Mit eigenen Augen«, Regie: Miguel Müller-Frank, Deutschland 2020, 110 Minuten, läuft in ausgewählten Programmkinos

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