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  • »Ghostbusters: Legacy«

Der anarchische Geist ist da

Action-Krachbumm, Familienmelodram, Comedy: »Ghostbusters: Legacy« ist mehrere Filme in einem

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 4 Min.

Der erste »Ghostbusters«-Film war für Kinder allen Alters damals, Mitte der 80er, eine Epiphanie. Lustige Männer sauten auf der Leinwand mit grünem Schleim und Protonen-Blastern rum und gaben, auch in der deutschen Synchronisation, Denkwürdiges von sich (»Du wirst nie wieder einen Mann vollschleimen, der einen Positronen-Kollidierer hat!«), sprengten ein Hochhaus in Notwehr in die Luft und kabbelten sich mit Monstern und einer besessenen Sigourney Weaver. Es war ein Fest, und für die meisten der erste Kontakt mit der US-Anarcho-Comedy in der Tradition von Saturday Night Live, die hier mit einem Mal im Blockbuster-Format daherkam. Und trotz allem Effektspektakel immer wirkte wie ein entgrenztes B-Movie, in einem guten Sinne.

Kurz und gut: Der erste »Ghostbusters«-Film brennt sich, wenn man ihn zum richtigen Zeitpunkt sieht, ein und funktioniert auch heute noch prächtig. Die Szene, in der Rick Moranis von einem Höllenhund durch den Central Park gejagt wird, habe ich nie vergessen und mich beim Wiedersehen nach fast 35 Jahren dann auch sehr gefreut.

Entsprechend schwer hatte es alles, was danach kam. Das 1989 erschienene Sequel war eine vergleichsweise müde Angelegenheit, als wäre jemand durch den Film einmal durchgefegt, um all das, was den ersten so heiter und erbaulich werden ließ - antiautoritärer Humor, Lust am Blödsinn und am Dysfunktionalen - zu entfernen. Der 2016 von Paul Feig unternommene Versuch eines Reboot mit weiblichen Figuren ging dann auch fürchterlich daneben. Idee und Cast (unter anderem Melissa McCarthy und Kristen Wiig) waren gut, der Shitstorm von Seiten emotional überforderter Nerds war erwartbar, aber dann doch über die Maßen heftig. Soweit alles prima, nur waren Plot, Effekte, Dialoge und auch alles Weitere sonst so dermaßen misslungen, dass es in heutiger Perspektive wie ein Zerstörungsversuch wirkt.

Der nicht geglückt ist: Diese Woche startet »Ghostbusters: Legacy« und wie gesagt, es ist tatsächlich ein großes, schweres Erbe. Das hier fast buchstäblich übernommen wurde. Regisseur des Films ist Jason Reitman, der Sohn des »Ghostbusters«-Regisseurs Ivan Reitman. Wie geht man mit so einer Last um, gerade, wenn etwas Unbeschwertes entstehen soll? Die Idee liegt nahe und sie funktioniert soweit gut: Reitman, also der Sohn, führt einfach fort, was er in seinen eigenen Filmen (unter anderem »Juno«, »Up in the Air« und »Young Adult«) in den letzten 15 Jahren kultiviert hat und verbindet Komödie mit ernsten Tönen.

Hier bekommen die Figuren ein Familiendrama mit auf den Weg. Es beginnt mit einer Privatinsolvenz (»Ghostbusters«-Urgestein Dan Aykroyd verweist in seinem Auftritt dann auch auf Rezession und Wirtschaftskrise), und die alleinerziehende Mutter Callie (Carrie Coon) muss mit Sohn und Tochter (Finn Wolfhard und Mckenna Grace) in das verfallene Geisterhaus ihres verstorbenen Vaters ziehen, der in dem staubigen Farmer-Kaff, in dem die Familie nun rezessionsbedingt leben muss, unter Beklopptheitsverdacht stand. Bald tauchen die ersten übernatürlichen Erscheinungen auf, und die Enkel finden zur allseitigen Freude Positronen-Kollidierer und das Ghostbusters-Mobil. Der Rest erzählt sich dann eigentlich wie von selbst.

Die Kulisse von »Ghostbusters: Legacy« könnte direkt aus einem 50er-Jahre-Science-Fiction-B-Movie entsprungen sein. Auch ansonsten adressiert der Film das Filmgedächtnis verschiedener Generationen und damit unterschiedliche Formen Nerdwissen. Zugleich ist er aber auch so gebaut, dass er ohne Weiteres Eins-zu-Eins funktioniert, als Action-Blockbuster. Dass der Charme des Originals nicht reproduzierbar ist, weiß auch Jason Reitman und hat deswegen offensichtlich versucht, mehrere Filme in einen zu packen.

Es überkreuzen sich in diesem Film verschiedene Tonlagen, und ob das wirklich aufgeht, ist nicht ganz klar. Aber Spaß macht es auf jeden Fall. Der Geist des alten ist noch in Spuren erhalten, Paul Rudd trägt als Lehrer, der seinen Schüler*innen wegen Bocklosigkeit im Unterricht »Cujo« und »Chucky die Mörderpuppe« vorführt, den anarchischen Geist von einst weiter. Dan Aykroyd erinnert in einer kurzen Szene an die durchaus sozialkritischen Untertöne des Originals. Das Finale ist dann reines Fan-Futter.

In der ersten Hälfte geht »Ghostbusters: Legacy« auf Nummer sicher und wirkt passagenweise wie eine vergessene »Stranger Things«-Folge. Die letzten Szenen lassen allerdings erkennen, dass ein Film hier alles zugleich sein will. Am Ende läuft alles, was vorher im steten Wechsel anklang - Action-Krachbumm, Familienmelodram, Comedy, zitatpralles Nerdkino -, übereinander und kreuz und quer. Man kann den Film für den Versuch hassen, es allen recht zu machen, weil er damit dem Original nicht gerecht wird, dem Produzenten- und Publikumserwartungen spürbar wurscht waren und das trotzdem der reinste Crowdpleaser war. Man kann den Film aber auch als liebevolle Hommage nicht nur an den Original-Cast (und hier vor allem an den 2014 verstorbenen Harold Ramis), sondern auch an eine vergangene Form des Spektakelfilms sehen. Eine Hommage an das Blockbuster-Kino der 80er Jahre, in dem es noch Charakterfressen, Filme von Steven Spielberg und hochhaushohe Marshmallow-Männer gab. Es war im Paradies meiner Erinnerungen nicht die schlechteste Zeit.

»Ghostbusters: Legacy«, USA 2021. Regie: Jason Reitman, Drehbuch: Gil Kenan und Jason Reitman. Mit: Carrie Coon, Finn Wolfhard, Mckenna Grace, Annie Potts, Ernie Hudson und Paul Rudd. 124 Min. Start: 18. November.

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