Pleite für Lieferdienst Gorillas

Arbeitsgericht entscheidet, dass die Betriebsratswahlen bei dem Start-up wie geplant stattfinden können

  • Moritz Aschemeyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Auseinandersetzungen zwischen den Beschäftigten und dem Management beim Express-Lebensmittellieferdienst Gorillas gehen weiter. Wobei die Konflikte mittlerweile auch das Berliner Arbeitsgericht beschäftigen. Am Mittwoch musste das Start-up-Unternehmen dabei eine saftige Niederlage einstecken: Die für kommende Woche angesetzte Betriebsratswahl kann wie geplant stattfinden, entschied das Gericht. Genau das hatte Gorillas zu verhindern versucht.

Das Unternehmen wollte die Wahl per einstweiliger Verfügung stoppen lassen. Zur Begründung hieß es, die Wahllisten hätten nicht überall ausgehangen, Mitarbeiter*innen sei die Wahl des Wahlvorstandes verweigert worden. Vor allem aber sei unklar, so die Argumentation von Gorillas, für welche Beschäftigten der Wahlvorstand überhaupt zuständig sei. Denn zum 1. Oktober hatte das Unternehmen das operative Geschäft, darunter auch die Kurier*innen, an die neu gegründete Gorillas Operations Germany GmbH & Co. KG ausgelagert. Zudem wurde erst diese Woche ein Franchisemodell eingeführt, bei dem jedes Warenlager als eigenständige Unternehmenseinheit agieren soll. Gorillas hatte denn auch schwere Geschütze aufgefahren: Bei einer trotzdem erfolgenden Betriebsratswahl drohte das Unternehmen mit Geldstrafen in Höhe von 10 000 Euro oder Haftstrafen, wie Joey Ridge, ein Mitglied des Wahlvorstandes, gegenüber »nd« bestätigt.

Kritiker*innen sehen in dem Verhalten der Firmenleitung eine Strategie zur Aufsplittung der Belegschaft. »Das Spiel mit der Betriebsstruktur, sei es Überführung oder Franchise, ist gang und gäbe und gehört zum kleinen Einmaleins des Union Busting«, sagt Elmar Wigand, Sprecher der Aktion gegen Arbeitsunrecht, die sich für die Rechte von Beschäftigten einsetzt. »Unter Berufung auf die unternehmerische Freiheit werden so Wahlen lange herausgezögert und die Belegschaft zermürbt«, erläutert Wigand gegenüber »nd«.

Auch Martin Bechert, der Anwalt des Wahlvorstandes, kritisiert die jüngsten Umstrukturierungen bei Gorillas als Vereinzelungstaktik. »Hierfür spricht auch, dass einige Mitglieder des Wahlvorstandes erst vor etwa zwei Wochen in unterschiedlichste Lagerhäuser versetzt wurden«, sagt Bechert zu »nd«. Die Versetzungen beeinträchtigten die Betroffenen zudem insofern, als dass sich die Wege zur Arbeit deutlich verlängert hätten, ergänzt Joey Ridge.

Dass es sich bei den Ausgründungen der Berliner Lagerhäuser um 18 eigenständige Betriebe handelt und der Betrieb, für den ein Betriebsrat eingesetzt werden soll, nicht mehr besteht, konnte das Unternehmen dem Richter des Berliner Arbeitsgerichtes zufolge aber nicht detailliert darlegen - weshalb das Gericht den Antrag auf einstweilige Verfügung letztlich auch zurückgewiesen hat.

Ein Abbruch der Wahlen stelle nur das letzte Mittel dar, so Richter Michael Ernst weiter. Auch die möglichen Fehler beim Wahlverfahren reichten demnach nicht aus, um die Wahl für nichtig zu erklären. Falls die Umstrukturierung Auswirkungen auf die Wahl hätte, ließe sich diese jedoch im Nachgang überprüfen.

Für das Unternehmen besteht nun zudem die Möglichkeit, vor das Landesarbeitsgericht zu ziehen. Dort würde Gorillas ohne Offenlegung der Betriebsstrukturen wahrscheinlich auch nicht weit kommen. Diese Information sei allerdings »Gold wert« und gebe den Beschäftigten neue Mittel für die Organisierung in die Hand, sagt Anwalt Bechert. »Bisher ist die Informationspolitik des Unternehmens gegenüber dem Wahlvorstand hierzu äußerst dürftig«, so Bechert. »Zunächst wird mangelhaft informiert, anschließend angefochten.« Man werde sich weiter um die Errichtung von Betriebsräten bemühen, auch wenn es 18 oder mehr werden.

Die vor dem Arbeitsgericht versammelten Angestellten von Gorillas begrüßten das Urteil euphorisch. »Ich bin begeistert, aber auch sauer«, sagte Joey Ridge. »Wir wenden so viel unbezahlte Zeit auf, um ein grundlegendes Recht auf betriebliche Mitbestimmung zu verteidigen.« Die Betriebsratswahl will der Wahlvorstand nun wie geplant in der kommenden Woche abhalten. Ridge gehe zwar nicht davon aus, dass die Arbeitskämpfe damit aufhören. »Allerdings wird Gorillas dann zur Verantwortung gezogen und kann nicht wie bisher Leute per Telefon feuern

Auch diese Praxis ist längst ein Fall für die Jurist*innen. Bereits in der vergangenen Woche wurden dort die Klagen von Fahrradkurier*innen verhandelt, die wegen der letzten Streiks beim Unternehmen fristlos gekündigt worden waren - und dies eben teils telefonisch - und nun rechtlich dagegen vorgehen. Weitere Verfahren sind anhängig. Insgesamt sollen im Oktober laut der Gewerkschaft Verdi rund 350 Angestellte entlassen worden sein, darunter auch Mitglieder des im Juni aufgestellten Wahlvorstandes.

Der Linke-Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser begrüßte das Urteil des Arbeitsgerichts vom Mittwoch. »Man kann nur hoffen, dass das Gorillas-Management jetzt endlich von seinem gefährlichen Eskalationskurs Abstand nimmt«, sagt Meiser. Er befürchte jedoch, dass der Kampf um Mitbestimmung damit nicht vorbei sei. »Um Rechtsunsicherheit in solchen Fällen zu verhindern, braucht es ein Verbot von Betriebsaufspaltungen während einer laufenden Betriebsratsgründung. Nur so lässt sich verhindern, dass skrupellose Unternehmen auch auf diesem Wege die erstmalige Wahl eines Betriebsrates immer wieder torpedieren können«, so Meiser.

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