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- Klimaaktivismus in Flensburg
Protest mit Cent-Münzen
Mit Sisyphus-Taktik reagieren Aktivisten in Flensburg auf Kostenbescheide
Umweltaktivisten stottern derzeit in Flensburg mit einer auf vielen Schultern aufgeteilten Solidaraktion Kostenbescheide nach polizeilichen Ingewahrsamnahmen ab. Seit einigen Wochen bereits läuft in der Stadt in Schleswig-Holstein die Aktion »Cent im Getriebe der Kettensägen«. Im vergangenen Februar hatte die Polizei die Besetzung des kleinen Flensburger Bahnhofswaldes beendet. Der Protest richtete sich gegen die Rodung eines Wäldchens, das mit zum Teil 150 Jahre alten Bäumen bewachsen ist. Das Wäldchen sollte einem Hotel samt Parkhaus weichen. Im Zuge dieses Polizeieinsatzes wurden mehrere Baumschützer für kurze Zeit festgenommen.
Im Nachgang verschickte die Polizei dann Kostenrechnungen in Höhe zwischen 130 und 200 Euro pro Person, basierend auf der Vollzugs- und Vollstreckungskostenverordnung des Landes Schleswig-Holstein aus dem September 2017 – unabhängig davon, ob gegen den Betroffenen ein Strafverfahren eröffnet und wie dieses dann gegebenenfalls beschieden wurde. Als Berechnungsgrundlage dienen dabei 63 Euro je Arbeitsstunde eines Polizeibeamten sowie 80 Cent Fahrkosten pro zurückgelegtem Einsatzkilometer.
Die Klimaaktivisten zeigen sich empört, dass einzelne Menschen aus ihren Reihen nun herausgepickt werden, um polizeiliche Einsatzkosten zu begleichen. In einem Aufruf heißt es, dass die meisten Widersprüche gegen diese Zahlungsaufforderungen abgewiesen wurden.
Weil ein fortführender prozessualer Weg die Kosten nur noch weiter in die Höhe treiben würde, haben einige Betroffene für sich nun entschieden, den geforderten Geldbetrag zu entrichten. Dafür wolle man es, so verlautete aus Kreisen der Besetzer, der behördlichen Verwaltung nun aber so unbequem und nervig wie nur möglich machen. Unter Begleichung von 1-Cent-»Klecker«-Beträgen bei Angabe des Aktenzeichens sind bereits etliche Überweisungen erfolgt. Dass alles einzeln verbucht werden muss, ist ein Prozedere, das vollkommen legal ist, wie die Landespolizei auf Nachfrage bestätigt.
Bislang haben sich bereits mehr als 150 Solidarspender an der Aktion »Cent im Getriebe« beteiligt. Das Einzahlen von Cent-Beträgen in bar auf Polizeidienststellen wurde als Aktionsformat ebenfalls probiert. Dies wurde aber bislang in allen Fällen zurückgewiesen.
Die Öko-Aktivisten erkennen in der Vollzugs- und Vollstreckungskostenverordnung, von Seiten der Polizei auch als »Störerhaftung« bezeichnet, ein finanzielles Druckmittel, mit dem potenzielle Teilnehmer an Protestaktionen oder Demonstrationen abgeschreckt werden sollen. Die Flensburger Polizei hingegen bagatellisiert den Vorgang und verweist auf das Beispiel des randalierenden Betrunkenen, der bei Ausnüchterung in Polizeigewahrsam ebenfalls zur Kasse gebeten werde.
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