Ausgebremster Vorreiter beim Ökolandbau

Sri Lanka hat sich vom Ziel, zügig zu 100 Prozent Bio zu kommen, erst mal verabschiedet. Wirtschaftliche Interessen waren stärker

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.

Nicht nur in Europa, den USA oder China setzen landwirtschaftliche Betriebe im großen Stil Chemikalien ein - mit allen teils bekannten und teils schwerer kalkulierbaren Folgen. Auch in Südasien setzen viele Bauern auf massive Kunstdüngergaben, um aus dem Boden der Äcker mit oftmals überschaubarer Größe maximalen Ertrag herauszuholen. Zugleich sollen Pestizide mit teilweise nicht minder umstrittenen Cocktails die Pflanzen vor drohendem Schädlingsbefall und damit Ernteverlusten schützen, die bei mangelnden finanziellen Rücklagen im kleinteilig strukturierten Agrarsektor schnell in Existenznöte führen. Auch in Sri Lanka.

Die dort seit zwei Jahren amtierende Regierung der singhalesisch-nationalistischen SLPP unter Präsident Gotabaya Rajapaksa und seinem älteren Bruder Mahinda als Premierminister ist bisher nicht durch eine progressive Politik aufgefallen. Umweltgruppen begrüßten allerdings das im Mai verhängte Importverbot von Agrochemikalien und die wegweisende Ankündigung des Staatschefs, den südasiatischen Inselstaat zum globalen Vorreiter in Sachen ökologischer Anbau zu machen. Die unverhoffte Reform ist indes umstritten. Insbesondere von betroffenen Landwirten wurde sie mit Skepsis und Widerspruch aufgenommen. Einige weigerten sich, ihre Flächen weiter zu bewirtschaften, wodurch sich einige Nahrungsmittel deutlich verteuerten und Engpässe entstanden.

Teller und Rand - der Podcast zu internationaler Politik

Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.

Ein halbes Jahr später ist es amtlich: So schnell, wie die Spitze der Politik sich das gedacht hatte, wird es mit der Abkehr vom Einsatz chemischer Helfer nicht gehen. Bereits Mitte Oktober gab Ramesh Pathirana, Minister für Plantagenwirtschaft, bekannt, dass Kunstdünger und Pestizide wieder verwendet werden dürfen. Und in dieser Woche wurde die vorläufige Aufhebung des Importverbots bekanntgegeben. Damit sollen vor allem großflächige Einbußen im Teesektor, der stark auf den Export ausgerichtet ist und eine Wirtschaftskraft von rund 1,3 Milliarden US-Dollar hat, abgewendet werden. Laut den Worten des Ministers werde die Importfreigabe so lange aufrechterhalten, bis das Land selbst in ausreichendem Umfang zur Produktion organischen Düngers als Alternative in der Lage sei. Bereits kurz vor der Aufhebung des Importstopps war bekannt geworden, dass die Regierung ihre eigene Anordnung unterlaufen hatte, indem sie in Litauen 30 000 Tonnen Pottaschechlorid kaufte, die dann fälschlich als organischer Dünger deklariert wurden.

Es ist weniger die Sorge um die Belange der Landwirte als die drohende Einbuße bei Exporterlösen, die das Umdenken ausgelöst hat. Sri Lanka ist weltweit geschätzt für seinen Teeanbau, deren Ausfuhren nach wie vor eine tragende Säule im Wirtschaftssystem des Inselstaates darstellen. Da wegen der Corona-Pandemie schon seit über einem Jahr der Tourismus eingebrochen ist und die Devisenreserven stetig abnehmen, kann sich die Regierung keine weiteren Einnahmeverluste leisten.

Überhaupt deutete vieles von dem, was in den vergangenen Wochen ablief, auf einen Etikettenschwindel hin. So bestellte die Regierung 3,1 Millionen Liter eines neuen Nano-Urea-Flüssigdüngers im Nachbarland Indien. Hersteller des Produktes, der erst im März eine Zulassung erhalten hatte, ist die Indian Farmers Fertiliser Cooperative, der größte und genossenschaftlich organisierte Düngemittelhersteller des Subkontinents. Was die Biotechforscher des Unternehmens entwickelt haben, wird von diesem als »Indiens Produkt des 21. Jahrhunderts, das die Landwirtschaft der Welt revolutionieren könnte«, angepriesen.

Urea ist der Fachbegriff für Harnstoff, der bei der Reaktion von Ammoniak mit Kohlenstoffdioxid entsteht. Er wird bisher als Granulat auf die Böden ausgebracht. Der enthaltene Stickstoff kann laut Studien von der Pflanze aber nur zu 30 bis 50 Prozent für besseres Wachstum aufgenommen werden - der Rest geht verloren, belastet Böden und Gewässer. Beim Nano-Urea-Flüssigdünger liege die Nutzungsquote des Stickstoffs bei 80 Prozent, ergaben laut Hersteller die Praxistests mit 11 000 indischen Bauern an 94 Agrarkulturen. Durch die Effizienz der 30 Nanometer kleinen Partikel genüge im Schnitt ein Viertel der üblichen Düngergabe. Allerdings ist der vermeintlich umweltfreundliche Flüssigdünger ebenfalls ein Chemieprodukt, mahnte in Sri Lanka eine Gruppe Wissenschaftler der Federation of University Teachers’ Association. Nach den strengen Regeln des ökologischen Landbaus dürfe es nicht eingesetzt werden. Aber diese Frage stellt sich jetzt ohnehin nicht mehr: Die Umstellung auf ökologischen Landbau wird auch in Sri Lanka noch lange dauern.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.