- Politik
- Immunität von Thüringer AfD-Politiker aufgehoben
Höcke und der SA-Wahlspruch
Justizausschuss des Thüringer Landtags hebt Immunität des AfD-Landesvorsitzenden auf
»Die Mühlen der Justiz mahlen langsam. Aber immerhin: Sie mahlen!«, erklärt der Grünen-Politiker Sebastian Striegel. Eine Strafanzeige des Landtagsabgeordneten aus Sachsen-Anhalt führte dazu, dass die Staatsanwaltschaft Halle einen Antrag zur Aufhebung der Immunität des AfD-Politikers Björn Höcke beim zuständigen Justizausschuss des Thüringer Landtags stellte. Am Mittwochnachmittag kam die Meldung aus Erfurt: Die Justiz im Nachbarbundesland Sachsen-Anhalt kann gegen den Frontmann der völkischen Nationalisten ermitteln. Der Ausschuss hob seine Immunität auf.
Bis dahin war es ein langer Weg. Striegel hatte seine Strafanzeige bereits Anfang Juni gestellt. Grund dafür ist eine Rede, die Höcke anlässlich einen Wahlkampfauftritts am 29. Mai in Merseburg gehalten hatte. Ein Video des Auftritts lässt sich bis heute auf der Facebookseite der AfD-Sachsen-Anhalt abrufen.
Konkret geht es um das Ende von Höckes Rede. Dieser beendete seinen Vortrag mit den Worten: »Alles für Deutschland.« Dem Geschichtslehrer Höcke dürfte der historische Kontext dieser Losung vermutlich bekannt sein. Es handelt sich um einen Wahlspruch der nationalsozialistischen Sturm-Abteilung SA.
Dessen Verwendung »im Rahmen einer Rede auf einer Versammlung« ist strafbar, wie der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages Anfang November feststellte. In dem Infobrief sind zahlreiche Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen benannt, darunter etliche Symbole und Losungen früherer NS-Organisationen. Neben »Alles für Deutschland« wird unter anderem auch die SA-Parole »Deutschland erwache« aufgeführt.
Höcke selbst reagierte empört auf die Aufhebung seiner Immunität und die dazugehörige Strafanzeige. In einer Stellungnahme auf Facebook behauptete der Thüringer AfD-Politiker am Mittwoch, beim Volksverhetzungsparagraphen handele es sich inzwischen um einen »Gummiparagraphen«, der »leicht auf jeden kritisch denkenden Bürger anwendbar« sei.
Beim Ende seiner Rede handele es sich um eine indirekte Bezugnahme auf den Wahlkampfslogan der AfD Sachsen-Anhalt, so Höcke. Tatsächlich hatte der Landesverband im Wahlkampf mit dem Slogan »Alles für unsere Heimat« geworben. Entsprechende Plakate sind auch im Video zu sehen. Höcke behauptet dann auch, er habe nur einen »rhetorischen Dreiklang« genutzt.
Wörtlich sagte er in seiner Rede: »'Alles für unsere Heimat'. Was für ein toller Titel, hinter dem ich mich voller Inbrunst stellen kann. Im Brustton der Überzeugung sage ich: Ja. Alles für unsere Heimat. Alles für Sachsen-Anhalt. Alles für Deutschland.«
Der Soziologe Andreas Kemper ist dagegen überzeugt, dass Höcke gewusst haben muss, was er sagte: »Höcke benutzt durchgehend Nazivokabular. Und mit seinem Wissen als Geschichtslehrer macht er das in vollem Bewusstsein«, so der Wissenschaftler auf Twitter, der sich seit Jahren mit dem Thüringer AfD-Politiker beschäftigt.
Auch Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, begrüßte die Aufhebung von Höckes Immunität. »Wenn die Vorwürfe sich bestätigen, muss das Folgen haben. Schlimm genug, dass man als Mitglied eines deutschen Parlaments Parolen der NS-Zeit verwenden kann. Aber auf eine solche Entgleisung muss eine Strafe folgen, die wirklich wehtut«, so Knobloch via Twitter.
Tatsächlich ist schwer vorstellbar, dass ausgerechnet Höcke ahnungslos sein soll. Erst am Montag war bekanntgeworden, dass das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz die AfD bereits seit März als »erwiesen extremistisches Beobachtungsobjekt« einstuft. Höcke steht dem Thüringer Landesverband seit Jahren vor und ist gleichzeitig seit 2014 AfD-Fraktionsvorsitzender im Erfurter Landtag.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.