Der arme Paris
Schon zu sagenhaften Zeiten waren die Algorithmen schuld
MIKE MLYNAR
Kleine Zahlenzauberei
1. Damit die allgemeine Gleichung aufgeht, muss b = a und b = c - 1 sein. 2. Aus dieser allgemeinen Gleichung lässt sich ableiten: a / b = c² / (c - 1), somit folgt als erfragte Lösung a = c² sowie b = c - 1. (Beispiellösung gern auf Mailanfrage!) Richtig hatte es auch Heinz Gläser aus Chemnitz, der für das Gewinnbuch ausgelost wurde: »Ein von Schatten begrenzter Raum«, Roman von Emine Sevgi Özdamar, Suhrkamp.
Der arme Paris
Aphrodite und Hera sind einander widersprüchlich, deshalb eine Aussage wahr und eine falsch, womit eine der beiden die Schönste ist. Athene kann es nicht sein, ihre beiden Aussagen sind falsch, also auch die, dass Aphrodite nicht die Schönste ist. Schlussendlich ist Aphrodite ist die Schönste. Astrid Mosch aus Berlin erkannte das auch und hatte Losglück: »Mädchenmeuterei«, Roman von Kirsten Fuchs, Rowohlt.
Von Arndorf nach Biesenfeld
Man zeichne sich ein Weg-Zeit-Diagramm von einem Tag, an dem zwei Radler, nämlich Gerd 1 von Arndorf und Gerd 2 von Biesenfeld aus starten. Das Diagramm zeigt, dass sich für besagtes Treffen die (Uhr-)Zeitspannen überlappen müssen. Bedingung: Jeder muss losfahren, bevor der andere angekommen ist. Das ist auch die Voraussetzung fürs Déjà-vue, wenn der »echte« Gerd, am Freitag hin- und am Sonnabend zurückfährt. Raina Petkowa aus Gießen war unter den »Richtigen« und gewann: »Always Happy Hour«, Roman von Mary Miller, Hanser.
kurz & knackig
1. Ein Zehnerstück, zwei Fünfer, 14 Einer macht macht 17 Münzen im Wert von 34 Talern. 2. Es frühstücken Großmutter, Mutter und Tochter. (Hinweis: In der Aufgabe hätte es präzise heißen müssen »Zwei Mütter und drei Töchter …«, denn eine Großmutter ist ja auch eine Tochter.) 3. 30 Nüsse. Der Buchlospreis geht an Roland Götze aus Hohenstein-Ernstthal: »Balaton«, Novellen von Noémi Kiss, Europaverlag.
Immer wenn die Menschheit mit sich nicht im Reinen ist, hält sie Ausschau nach einem Sündenbock. Möglichst einem, den zwar die Mehrheit nicht so richtig durchschaut, dem aber gerade deshalb alles gut unterzuschieben ist. So ist laut öffentlicher Medienmeinung seit Jüngstem an vielem, wenn nicht gar an allem der meist imaginäre, in jedem Fall aber irgendwie böse Algorithmus schuld. Egal ob an mieser Gesamtlage oder an Bahnverspätungen, ob am Verhalten von Wählern und Nichtwählern, an den Tankstellenpreisen oder daran, dass Facebook neuerdings eigentlich Meta heißt. Nicht wenige trauen dem Algorithmus sicher schon allein deshalb alles Ungute zu, weil sie ihn mit dem Logarithmus verwechseln, der sie schon in der Schulzeit quälte.
Sündenböcke sind aber keine neue Erfindung. Wir kennen sie schon aus echt sagenhaften Zeiten. Denken wir nur an den unbescholtenen Hirtenjungen Paris. Dem hatte Zeus die Entscheidung der Schönheitskonkurrenz zwischen den Göttinnen Hera, Athene und Aphrodite aufgebrummt. Der Sage nach bestach eine Dame den Paris am besten, nämlich mit dem Versprechen, ihm die schönste Frau der Welt zu beschaffen. Der Haken nur, dass diese, nämlich Helena, schon das Eheweib des Spartakönigs Menelaos war, sie nun also geraubt werden musste, was bekanntlich den jahrzehntelangen Trojanischen Krieg auslöste usw., usf. Und schuld war jahrtausendelang der arme Paris.
Ob er mit einem Algorithmus besser beraten gewesen wäre als mit seinem geschmäcklerischen Urteil, ist zu bezweifeln. Zumindest aber hätte er dem Algorithmus die Schuld an der ganzen Misere zuschieben können. Wenn es nämlich wie hier gelaufen wäre:
Die Göttinnen Hera, Aphrodite und Athene fragen den klugen Paris, wer von ihnen die Schönste sei. Sie machen dabei folgende Aussagen: Aphrodite: »Ich bin die Schönste.« Athene: »Aphrodite ist nicht die Schönste.« Hera: »Ich bin die Schönste.« Aphrodite: »Hera ist nicht die Schönste.« Athene: »Ich bin die Schönste.«
Paris, der gerade ausruht, gibt sich gar nicht erst die Mühe, sich dem Schatten, der seine Augen vor der Sonne schützt, zu entziehen. Auch so könne er eine der drei Göttinnen als die definitiv schönste benennen. Dabei setzt er voraus, dass alle Aussagen dieser schönsten Göttin wahr, alle Aussagen der beiden anderen jedoch falsch sind. Kann Paris unter dieser Voraussetzung das von ihm geforderte Urteil fällen? Wenn ja, wie lautet es?
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