- Wirtschaft und Umwelt
- Umweltprotest
Neuer Streit in Dannenrod
Bürgerinitiative bringt Planungsbüro für den Bau der A49 in Erklärungsnot
Die Proteste vor einem Jahr haben die Rodungen für den Weiterbau der A49 in Hessen nicht aufhalten können. Die Camps und Baumhäuser im Dannenröder Forst sowie im angrenzenden Herrenwald wurden von der Polizei rigoros und teils mit brachialer Gewalt geräumt. Aber die anschließenden Baumfällungen könnten noch ein ungeahntes Nachspiel haben. Denn womöglich haben die Arbeitskräfte mit ihren Harvestern im Dannenröder Forst weit mehr Bäume gefällt, als im Planfeststellungsbeschluss vorgesehen war.
Mehr als fünf Hektar Wald zu viel seien gerodet worden, erklärt das Aktionsbündnis Keine A49, ein Zusammenschluss mehrerer Initiativen, die den Autobahnbau kritisch begleiten. »Die gravierendste Überschreitung liegt im Flurstück Lehrbach 1/9 vor, dort wurden 48 050 Quadratmeter gerodet«, heißt es in einer Mitteilung. Laut Beschluss hätte anstelle der knapp fünf Hektar dort allerdings nur eine Fällung von rund einem halben Hektar vorgenommen werden dürfen. Das würde in dem Abschnitt allerdings nicht für eine vierspurige Trasse ausreichen.
Wahrscheinlich handele es sich dabei um einen fehlerhaften Planfeststellungsbeschluss, vermutet Reinhard Forst von der Aktionsgemeinschaft Schutz des Ohmtals gegenüber »nd«. An anderen Stellen im Wald sei noch ein weiterer Hektar unerlaubt abgeholzt worden, so der Vorwurf der Umweltschützer. »Insgesamt summierten sich somit die über den Planfeststellungsbeschluss hinaus zu viel gerodeten Flächen im Dannenröder Forst auf mehr als fünf Hektar und damit um circa 25 Prozent mehr als erlaubt«, moniert das Aktionsbündnis.
Die Initiativen Schutz des Ohmtals, Schutzgemeinschaft Gleental und Parents for Future Deutschland haben für die Überprüfung der Rodungsflächen eigens ein Vermessungsbüro in Auftrag gegeben. Sie hätten auch versucht, Auskunft über die tatsächlichen Rodungen bei der für die Planung der Autobahn zuständigen Gesellschaft Deges zu bekommen, sagt Forst. »Aber wir haben auf unser Ersuchen keine Antwort erhalten.«
Bisher sollten im Dannenröder Forst rund 27 Hektar Wald gerodet worden sein; für den geplanten Lückenschluss von rund 31 Kilometern zwischen der Anschlussstelle Schwalmstadt und dem Ohmtal-Dreieck ist eine Rodungsfläche von insgesamt 85 Hektar vorgesehen. Die Autobahn soll, wenn sie in drei Jahren fertiggestellt ist, die Städte Kassel und Gießen miteinander verbinden.
»Diese ungenehmigten Rodungen haben wir jetzt bei der oberen Waldbehörde und der oberen Naturschutzbehörde des Regierungspräsidiums Gießen angezeigt«, sagt Barbara Schlemmer, Sprecherin des Aktionsbündnisses dem »nd«. »Von Amts wegen soll nun überprüft werden, ob das alles mit rechten Dingen zugeht.«
Das Regierungspräsidium sieht jedoch bislang keine Anhaltspunkte für die Vorwürfe, wie ein Sprecher auf Anfrage erklärt. Auch die Deges, eine Projektmanagementgesellschaft von Bund und Ländern, dementiert gegenüber dieser Zeitung die Vorwürfe: »Der gesamte Umfang der im Dannenröder Forst vorgenommenen Fällungen für den Lückenschluss der A49 entspricht den Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses«, heißt es in einer Stellungnahme. »Dokumente, welche die Behauptung belegen, dass darüber hinaus Rodungen vorgenommen wurden, liegen der Deges nicht vor.«
Die Linkspartei im hessischen Landtag kritisiert dagegen die Planungsgesellschaft. Es sei nicht akzeptabel, dass die Deges ihrer Informationspflicht nicht nachkomme und dem Aktionsbündnis über Monate keine Auskünfte über die tatsächlich gerodeten Flächen gebe, bemängelt Heidemarie Scheuch-Paschkewitz, umweltpolitische Sprecherin der Fraktion. »In Hessen muss geklärt werden, wer für den Bilanzierungsfehler verantwortlich ist und ob die Zahlen jetzt wirklich stimmen«, fordert die Oppositionspolitikerin gegenüber »nd«. Beides sei eine Aufgabe der Fachaufsicht, und diese liege im von den Grünen geführten Verkehrsministerium.
Am Mittwoch hat die Linksfraktion deshalb eine Kleine Anfrage an die schwarz-grüne Landesregierung gestellt und verlangt Aufklärung über Rodungen, die möglicherweise über den Planfeststellungsbeschluss hinausgehen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.