Geschlagen und gefeuert

Italienische Arbeiter protestieren gegen den Umgang einer Druckerei mit pakistanischen Arbeitern

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Wort »Sklavenhaltung« gehört eigentlich in ein anderes, längst vergangenes Zeitalter. Heute gibt es so etwas nicht mehr - und schon gar nicht in einem zivilisierten, europäischen Land wie Italien. Oder etwa doch? Die Ereignisse, die die Druckerei Grafica Veneta betreffen, die ihren Sitz in Norditalien bei Padua hat, beweisen leider das Gegenteil. Das in den frühen 1960er Jahren gegründete Familienunternehmen, das den Druck von Büchern, Katalogen und Magazinen anbietet und für etliche große Verlage arbeitet, zählt zu den führenden in Europa.

Bekannt wurde die Geschichte im Mai 2020, als auf einer Landstraße ein Pakistaner aufgefunden wurde: die Hände auf dem Rücken gefesselt und übersät mit Blessuren, die ganz offensichtlich zeigten, dass der Mann übel verprügelt worden war. Wenig später wurde bekannt, dass mindestens neun weitere Männer, alle ebenfalls Pakistani, das gleiche Schicksal erleiden mussten.

Die Justiz setzte sich in Gang und im Juli dieses Jahres wurden zwei hohe Manager der Grafica Veneta und sieben weitere Mitarbeiter der Druckerei verhaftet, weil sie gewusst und bewusst ignoriert haben sollen, dass einige Werksarbeiter wie Sklaven ausgebeutet und »gehalten« wurden.

Sie hatten Arbeitsverträge, die auf den ersten Blick ganz normal erschienen: 1100 Euro monatlich für einen regulären Acht-Stunden-Tag. Dann aber stellte sich heraus, dass ihnen monatlich ungefähr die Hälfte des Geldes für nicht weiter definierte »Dienstleistungen« abgezogen wurden. So musste jeder dieser Werksarbeiter 120 Euro »Miete« für ein Bett in einem stinkenden und baufälligen Haus ohne wirkliche hygienische Einrichtungen bezahlen. Der reale Stundenlohn lag bei weniger als fünf Euro; die Arbeitszeit betrug mindestens zwölf Stunden pro Tag und das sieben Tage die Woche, ohne Feiertage und ohne Urlaub. Als »Arbeitsvermittler« agierten zwei Italiener pakistanischer Herkunft.

Im Laufe der Ermittlungen wurde klar, dass die verletzten Arbeiter es gewagt hatten, sich an die lokale Gewerkschaft zu wenden und um Hilfe zu bitten. Daraufhin wurde ein Schlägertrupp losgeschickt, um die »Aufmüpfigen« erst »zu warnen« und dann zu bestrafen.

Die verhafteten Manager - der eine Geschäftsführer, der andere Sicherheitsbeauftragter bei Grafica Veneta - erklärten zunächst, von den menschenunwürdigen Zuständen nichts gewusst zu haben, schlossen dann aber mit der Justiz einen Vergleich, in dessen Rahmen sie ihre Schuld zugaben und Besserung gelobten. Sie wurden entlassen und konnten ihre Arbeit wieder aufnehmen.

Diese »Besserung« der Bosse bestand nun allerdings darin, alle pakistanischen Arbeiter umgehend zu entlassen, die auf diese Weise nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihre Unterkünfte verloren.

Welle der Solidarität

Der Arbeitskampf geht jetzt weiter und die italienischen Arbeitskräfte von Grafica Veneta fordern mit Streiks und Demonstrationen Gerechtigkeit für ihre aus Pakistan stammenden gefeuerten Kollegen. Die Solidarität ist groß und zuletzt haben namhafte Intellektuelle, Musiker und Schauspieler sogar ein Theaterstück geschrieben und aufgeführt, dessen Einnahmen für die Fortsetzung des Arbeitskampfes und zur Unterstützung der Betroffenen verwendet werden.

Doch das ist noch nicht alles. Vor wenigen Tagen erschien in der Tageszeitung »La Stampa« ein Interview mit rassistischen Äußerungen von Fabio Franceschi, Inhaber der Grafica Veneta in der zweiten Generation, das für Empörung sorgt. Franceschi erklärte darin, dass die Anschuldigungen nicht stimmen würden und dass seine Manager nur gestanden hätten, weil »die Firma, die gerade stark wächst« sich nicht mit so einer »Lappalie« aufhalten dürfe. Die Arbeiter würden seinen »berühmten Betrieb in den Dreck ziehen«. Sie hätten in einem schönen Haus gewohnt, aber: »Sauberkeit und Schönheit gehören nicht zu ihrem Naturell«. Franceschi will keine Pakistani mehr in seiner Firma beschäftigten. Denn diese stritten sich immer und erzählten »Lügengeschichten«. »Und in fünf Jahren haben sie immer noch kein Wort Italienisch gelernt.« Wie war das noch mit der Sklavenhaltung und ihrer Epoche?

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