Kein Sturm auf das Parlament

Kaum Protest bei Sondersitzung von Sachsens Landtag / Polizei unterbindet Coronaleugner-Treffen

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Sitzung des sächsischen Landtags, in der dieser am Montag die epidemische Lage für den Freistaat feststellte, wurde anders als befürchtet nicht von Coronaleugnern gestört. Diese hatten über soziale Netzwerke zu Protest mobilisiert. Die Polizei hatte deshalb ein Großaufgebot zusammengezogen und den Landtag abgeriegelt. Bis auf vereinzelte Aktionen blieb die Lage aber ruhig.

Die Feststellung der epidemischen Lage ist Voraussetzungen dafür, dass bestehende Schutzmaßnahmen über den 12. Dezember hinaus verlängert oder gegebenenfalls verschärft werden können. Das ist nach Ansicht der Regierung notwendig. Bei einer sich fortsetzenden Dynamik des Infektionsgeschehens müsse angenommen werden, »dass die Inzidenz bis Ende Dezember bis ca. 2800 ansteigen wird«, hieß es in der Beschlussvorlage. Am Montag lag sie bei 1234. Daher seien »intensive Eingriffe« notwendig. Nachdem der Bund kürzlich die epidemische Notlage von nationaler Tragweite für beendet erklärte, müssen die Länder die Voraussetzungen für derlei Einschränkungen des öffentlichen Lebens selbst schaffen.

Coronaleugner hatten angekündigt, das verhindern zu wollen. In einem Aufruf, der im Internet auch von AfD-Politikern geteilt wurde, hieß es, man wolle das »Sonderplenum zum Lockdown verhindern«. Die Polizei hatte gewarnt, es würden »auch Extremisten« zu Protesten am Landtag mobilisieren. Polizeipräsident Jörg Kubiessa erklärte, eine »härtere Gangart« sei die »logische Konsequenz«. Zum Schutz des Parlaments und des Impfzentrums in der Messe Dresden wurden auch Wasserwerfer aufgefahren. Unterstützt wurde die sächsische Polizei von Beamten aus Berlin. Kurz vor Beginn des Plenums teilte sie aber mit, man habe »bis jetzt noch keine größere Gruppierung festgestellt«. Auch danach kam es nur zu kleineren Aktionen. So wurden auf der dem Landtag gegenüber liegenden Elbseite Transparente ausgerollt.

Immer radikalere Aktionen

Die sächsische Polizei sowie Innenminister Roland Wöller (CDU) hatten zuvor massiv unter Druck gestanden, weil sie nicht oder nur zögerlich gegen immer radikalere Aktionen von Coronaleugnern vorgingen. Diese »toben mit einer Vehemenz wie in keinem anderen Bundesland«, sagte Franziska Schubert, Fraktionschefin der Grünen, und konstatierte eine »Gemengelage, die den Systemsturz herbeiskandiert«. Wenn es so weitergehe, entwickle sich, »was man als Terror bezeichnen kann«, sagte Schubert. Wie brisant die Lage bereits ist, verdeutlichte ein Fackelaufmarsch vor dem Wohnhaus von Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) am Freitag, der bundesweit verurteilt wurde. Die Politikerin erfuhr auch bei der Sondersitzung des Landtags viel Solidarität. Dagegen verstärkte der Vorfall massiv die Kritik an Innenminister Wöller. Die in Dresden erscheinende »Sächsische Zeitung« bezeichnete den CDU-Politiker in einem Leitartikel sogar als »Sicherheitsrisiko«. Wöller inszeniere sich als »schwarzer Sheriff«, schwenke aber oft beim ersten Angriff auf Demokratie und Rechtsstaat »lieber die weiße Fahne«. Der Minister hatte derweil erklärt, man könne die »Unvernunft von vielen« nicht mit polizeilichen Mitteln bekämpfen; Gewalt sei »nicht das Mittel der Wahl«.

Unter dem starken öffentlichen Druck ändert die Polizei nun jedoch ihren Kurs. Vorige Woche hatte sie Aufzüge von Coronaleugnern in vielen Städten unbehelligt gelassen und war in Chemnitz stattdessen massiv gegen Menschen vorgegangen, die angemeldet protestiert hatten. Am Wochenende wurden in Städten wie Freiberg, Plauen, Penig oder Pirna Versammlungen unterbunden und Anzeigen wegen Verstoß gegen die Coronaverordnung gestellt. Wöller forderte in martialischem Ton »Schnellprozesse«. Die Grünen merkten an, es handle sich um Ordnungswidrigkeiten, die zunächst nur mit Bußgeldbescheiden geahndet werden; diese müssten schneller verschickt werden. Die Nagelprobe für die neue Linie der Polizei stand am Montagabend bevor. Da hatten Coronaleugner zu Protesten in über 80 Orten aufgerufen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -