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China löscht Litauen aus seinem Zollsystem
Der Streit um eine taiwanesische Handelsvertretung in dem baltischen Land eskaliert
Ein Handelsboykott gilt als letzte Eskalationsstufe vor einem militärischen Konflikt. Die litauische Regierung sieht sich einer solchen Strafaktion nun ausgesetzt: Die Volksrepublik China hat den baltischen Staat von seinen Zollbehörden schlicht streichen lassen. Die Folge: litauische Waren können nicht mehr nach China eingeführt werden – und chinesische Produkte nicht nach Litauen. Der bilaterale Handel zwischen Vilnius und Peking ist vollständig zum Erliegen gekommen. Auf internationaler Ebene ist dies ein Präzedenzfall.
Grund für Pekings Schritt ist ein Konflikt, der sich Anfang November entzündete: Damals hatte Taiwan in Litauen eine Handelsvertretung eröffnet. Im Gegensatz zur bislang üblichen Praxis heißt die Außenstelle auch offiziell »Vertretung Taiwans«. Zuvor hatte der Inselstaat seine Auslandsvertretungen stets nach der taiwanischen Hauptstadt Taipeh benannt. Chinas Staatsführung wertete die Kehrtwende als Affront – denn Peking betrachtet Taiwan als Abtrünnige Provinz. Die chinesische Diplomatie reagierte auf den Eklat mit einer Retourkutsche: Der chinesische Botschafter wurde aus Vilnius abgezogen und die diplomatischen Beziehungen auf die sogenannte Geschäftsträgerebene herabgestuft.
Der Drei-Millionen-Einwohner-Staat Litauen wusste zwar, worauf er sich beim Konflikt mit China einließ. Pekings Staatsmedien hatten in den letzten Wochen zunehmend vulgäre Drohungen ausgestoßen. Zuletzt schrieben sie, dass man die Balten »wie eine Fliege zerquetschen« könne. Dass die Volksrepublik den gesamten Handel aussetzen könnte, kommt für Litauen dennoch unerwartet.
Für die Europäische Union stellt sich nun die Frage, wie sie mit dem Präzedenzfall umgehen soll. In den vergangenen Jahren trafen Pekings Revanchemaßnahmen bereits mindestens acht weitere Staaten. So verhängte China ein Exportverbot für norwegischen Lachs, als das norwegische Nobelkomitee im Jahr 2010 dem Menschenrechtler Liu Xiaobo den Friedensnobelpreis verlieh. Nach dem Australiens Regierung im vergangenen Jahr eine Untersuchungskommission wegen Vertuschungen zu Beginn der Pandemie in Wuhan forderte, setzte Peking die Kohleimporte aus Down Under aus.
»China verstößt damit gegen jede nur denkbare Regel der Welthandelsorganisation, da es den Handel selektiv als strategische Erpressungswaffe einsetzt«, sagt Jakub Janda, der die tschechische Denkfabrik European Values Center for Security Policy leitet. »Wenn die EU ernst genommen werden will, muss sie die kollektive wirtschaftliche Verteidigung eines ihrer Mitgliedsstaaten nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit sanktionieren.«
Dies sieht auch Gabrielius Landsbergis so. Die EU sollte sich nun solidarisch zeigen, fordert der litauische Außenminister. In einem Brief an den europäischen Handelskommissar Valdis Dombrovskis und EU-Außenbeauftragten Josep Borrell vom Montag schreibt er: »Ich möchte Sie bitten, im Namen Litauens bei den chinesischen Behörden zu intervenieren, um die derzeitige Situation zu lösen.«
Ob dies passieren wird, ist jedoch fraglich – nicht zuletzt aufgrund der wachsenden wirtschaftlichen Abhängigkeit der EU von China. Zudem ist der Fall durchaus komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in Peking, bezeichnet die chinesischen Vergeltungsmaßnahmen zwar als »sehr bedauerlich«. Er sagt aber auch klipp und klar: »Den Handel mit anderen europäischen Mitgliedsstaaten wird das allerdings nicht betreffen. Die hatten schließlich auch nichts zu sagen, als Litauen ein Handelsbüro in Taiwan eröffnet hatte.« Anders ausgedrückt: Litauen hat sich den Konflikt ohne Absprache mit der EU eingebrockt – und muss die Suppe nun auch allein auslöffeln.
Allerdings ist der Schaden für Vilnius ziemlich überschaubar. Litauens Exporte in die Volksrepublik beliefen sich im Vorjahr auf ein Volumen von 300 Millionen Euro. Das ist weniger als ein Prozent der gesamten Ausfuhren. Damit rangiert China unter Litauens wichtigsten Absatzmärkten gerade einmal auf dem 22. Platz.
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