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  • Politik
  • Menschenrechte in der Pandemie

Kinder sind zu kurz gekommen

Die Corona-Pandemie gefährdet nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Menschenrechte

  • Ulrike Wagener
  • Lesedauer: 3 Min.
Kinder mussten im letzten Jahr oft alleine lernen und spielen.
Kinder mussten im letzten Jahr oft alleine lernen und spielen.

In der Pandemie hat sich die Menschenrechtssituation in Deutschland in mehreren Bereichen verschlechtert. »Kinder und Jugendliche und ihre Rechte spielten in politischen Entscheidungsprozessen kaum eine Rolle«, kritisierte Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, anlässlich der Vorstellung des 6. Menschenrechtsberichts für den Zeitraum Juli 2020 bis Juni 2021. Bei den Öffnungen habe man zuerst an die Bundesliga gedacht und erst dann an die Rechte von Kindern und Jugendlichen auf Bildung und Spielen. Das Institut begrüßte daher, dass die Ampel-Koalition Kinderrechte im Grundgesetz verankern will. »Dieses Vorhaben darf kein zweites Mal scheitern«, so Rudolf. Auch mit Blick auf häusliche Gewalt und auf Jugendliche in schwierigen Lebenssituationen hätte bei den Maßnahmen früher nachgesteuert werden müssen.

Angesichts der akuten Covid-19-Welle appellierte die Institutsleiterin an den Bundestag, dringend ein Gesetz zu entwickeln, das Kriterien für Ärztinnen und Ärzte festlegt, wenn wegen überfüllter Intensivstationen unter den lebensbedrohlich erkrankten Personen ausgewählt werden muss – Stichwort Triage. »Mir ist wichtig, dass man bei der Frage der Überlebenswahrscheinlichkeit nicht zum Nachteil von Menschen mit Behinderung und alten Menschen entscheiden darf.« Bei der geltenden »klinischen Gebrechlichkeitsskala« sei dies indirekt möglich. Auch der Impfstatus dürfe keine Rolle spielen, stellte Rudolf klar. Man verliere seine Menschenrechte nicht, weil man sich unvernünftig oder unsolidarisch verhalten habe.

Harsche Kritik formulierte das Institut in Bezug auf die globale Impfgerechtigkeit. Die Entwicklung und Verbreitung der Omikron-Variante habe gezeigt, dass globale Impfgerechtigkeit kein Akt der Barmherzigkeit sei, sondern notwendig, um die Pandemie zu beenden. »Deutschland und die EU haben zu wenig dafür getan, dass ärmere Länder mehr Zugang zu Impfstoffen bekommen. Gemäß UN-Sozialpakt hat Deutschland die Verpflichtung, andere Länder bei der Gewährleistung des Rechts auf Gesundheit zu unterstützen. Die Bundesregierung muss sich für Regelungen zur freiwilligen Patentweitergabe einsetzen«, so Rudolf.

Das Institut äußerte sich auch zu den Rechten von Geflüchteten. Rudolf begrüße, dass die Ampel-Koalition den Familiennachzug neu regeln will. Zeitgleich erlebe man im Jahr des 70-jährigen Bestehens der Genfer Flüchtlingskonvention einen »erschütternden Dammbruch« an der polnisch-belarussischen Grenze: »Es ist aus menschenrechtlicher Sicht erforderlich, dass die Menschen, die an die polnische Grenze kommen, einen Antrag auf Asyl stellen können und dieser ordentlich bearbeitet wird nach den Regeln der Europäischen Union«, sagte Rudolf.

Sie forderte Deutschland auf, gegenüber Polen und auf EU-Ebene auf die Einhaltung der menschenrechtlichen Vorgaben zu drängen und Unterstützung durch die Übernahme von Asylsuchenden im Rahmen eines Relocation-Programms anzubieten. Das Leben der Menschen im Grenzgebiet sei akut bedroht.

Außerdem äußerte sich die Institutschefin zu Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus im Inland und drängte auf Studien zu Racial Profiling und anderen Praktiken der Polizei.

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