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Donbass in schwerer See
Nach dem Videogipfel: Russland und die Ukraine setzen auf US-Engagement im Konflikt um die Ostukraine
Es soll sämtliche Funksprüche ignoriert und unbeirrt seinen Kurs fortgesetzt haben: Während US-Präsident Joe Biden und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin am vergangenen Donnerstag per Videoschalte über die Spannungen in der Ostukraine sprachen, berichteten Russlands staatliche Medien atemlos über ein ukrainisches Schiff mit dem symbolischen Namen »Donbass«. Einer Meldung des Inlandsgeheimdienstes FSB zufolge halte dieses auf die Straße von Kertsch zu - ohne zuvor eine Anfrage zur Durchfahrt der Meerenge gestellt zu haben, welche Moskau seit der Krim-Okkupation 2014 als eigenes Hoheitsgewässer beansprucht.
Umgehend stiegen russische Abfangjäger auf, die »Donbass« wurde zum Abdrehen aufgefordert, der TV-Propagandist Wladimir Solowjow raunte vom endlich eingetretenen Kriegsfall. »Geht´s los, oder was?«, frohlockte auch Margarita Simonjan, Chefredakteurin des Staatssenders RT, auf Twitter. Dass der ukrainische Verteidigungsminister Alexej Resnikow darauf hinwies, dass die »Donbass« ein altes und unbewaffnetes Reparaturschiff sei, welches ukrainische Gewässer zudem gar nicht verlassen habe, ging in der aufgeheizten Stimmung unter.
Doch so unvermittelt wie die Medienkampagne begonnen hatte, endete sie auch: Keine zehn Minuten nach dem Ende des Biden-Putin-Gipfels gab der FSB Entwarnung: Die »Donbass« habe abgedreht. Der angebliche Zwischenfall zeigt, wie brenzlig die Lage während und nach dem Videogipfel ist - obwohl dieser in Kiew und Moskau als Erfolg gesehen wird.
So lobte Russland vor allem Bidens Vorstoß zu einem neuen Gipfel. In dem noch nicht näher definierten Gesprächsformat solle auch russische Sorgen über Nato-Aktivitäten an den russischen Grenzen aufgegriffen werden. »Bidens Worte sind eine scharfe Wende in der Ostpolitik des Westens«, befand die »Nesawissimaja Gazeta«. Mit dem amerikanischen Vorschlag sei etwas in Bewegung gekommen: Seit dem Ende der Sowjetunion hätten die USA und ihre europäischen Verbündeten Russlands Einwände als nicht diskutabel behandelt. Bislang Unmögliches könnte nun besprochen werden. Vize-Außenminister Sergej Rjabkow spekulierte bereits auf vom Kreml ins Gespräch gebrachte verbindliche Sicherheitsgarantien. Außerdem erhofft sich Moskau, dass Washington - im Gegensatz zu den im Normandie-Format engagierten Staaten Deutschland und Frankreich - mehr Druck auf Kiew bei der Umsetzung des Minsker Abkommens ausübt.
In Kiew zeigte man sich dagegen vor allem mit Washingtons klarem Bekenntnis zur ukrainischen Souveränität zufrieden. Im Falle eines russischen Angriffes würden die bisherigen Verteidigungshilfen für Kiew massiv aufgestockt, hatte Biden angedroht. Außerdem müsse sich Moskau auf einschneidende Sanktionen einstellen. Im Gespräch ist unter anderem ein Ausschluss russischer Banken vom Zahlungssystem Swift. Kiew begrüßte zudem Washingtons Zusicherung, keinen Diskussionen oder Entscheidungen über die Ukraine ohne Kiews ausdrückliche Beteiligung zuzustimmen. Eine Wermutstropfen gab es allerdings: Präsident Wolodymyr Selenskyj wurde erst zwei Tage nach dem Gipfel von Biden benachrichtigt, wie russische Medien genüsslich vorrechneten.
Wesentlich skeptischer bewerteten die osteuropäischen Nato-Verbündeten die Ergebnisse des russisch-amerikanischen Videogipfels. Denn bei den vorgeschlagenen Verhandlungen sollen nach Washingtons Vorstellung »mindestens« vier einflussreiche europäische Nato-Mitglieder mit am Tisch sitzen - offenbar Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien. Im Baltikum, Rumänien und Polen reagiert man empört: Die europäische Sicherheitsarchitektur werde ohne jene Nato-Staaten umgebaut, die sich direkt von Moskau bedroht fühlten, so die Kritik der Ostmitteleuropäer. Washington nähere sich Moskaus Position an. In längeren Telefonaten bemühte sich US-Präsident Biden, die Befürchtungen zu zerstreuen.
Ungeachtet der verschiedenen Interpretationen: In den Konflikt um die Ostukraine kommt mit dem US-Engagement wieder Bewegung. Wolodymyr Selenskyj stellte am Freitag ein Referendum über eine Autonomie für die abtrünnigen Gebiete Luhansk und Donezk in Aussicht. Einen Tag später entsandte Washington die Spitzendiplomatin Karen Donfried zu Gesprächen nach Kiew und Moskau. Im Anschluss soll die Europa-Expertin mit den Spitzen von EU und Nato über eine diplomatische Lösung der Krise beraten. Die USA setzten eine geplante Waffenlieferung in Höhe von 200 Millionen Dollar an die Ukraine vorerst aus.
Die Lage an der ukrainischen Grenze bleibt indessen weiter fragil. Für keine Entspannung sorgte Wladimir Putin, der die Lage der Russischsprachigen in der Ostukraine am Donnerstag mit einem »Genozid« gleichsetzte.
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