- Kultur
- bell hooks
Radikaler Einspruch
Die Literaturwissenschaftlerin bell hooks ist gestorben
In ihren Werken analysierte bell hooks das Zusammenwirken von Klasse, Gender und Race. Oft nahm die Schwarze Feministin und Literaturwissenschaftlerin ihre eigene Biografie zum Anlass, um einen intersektionalen Blick auf die Diskriminierungsformen im »weißen transnationalen kapitalistischen Patriarchat« zu werfen. Sie lud Leser*innen mit und ohne akademische Bildung ein, ihren zugänglichen Ausführungen zu folgen.
Am 25. September 1952 wurde Gloria Watkins in Hopkinsville geboren. Mit ihrem Künstlernamen, den sie von ihrer Urgroßmutter Bell Blair Hooks lieh, betont die Autorin, stehe sie auf den Schultern vieler starker Frauen. Eine besondere Rolle spielte für sie auch ihre Großmutter mütterlicherseits. Von ihrem Leben berichtet bell hooks in »Where we stand: class matters«, das 2019, 20 Jahre nach der Erstveröffentlichung, unter dem Titel »Die Bedeutung von Klasse« ins Deutsche übersetzt wurde. Darin beschreibt sie Armut und Solidarität, Klassenscham und Klassenaufstieg, die ihre Jugend in Kentucky bestimmten. Auch mit ihrer Aufnahme an die Stanford University ließ sich das Gefühl der Fremdheit nicht abstreifen, das sich aus ihrer Sozialisierung in der »black working class«, der Schwarzen Arbeiterklasse, nährte.
Endlich auf Deutsch: In »Die Bedeutung der Klasse« beschwört bell hooks die Solidarität unter den Armen - doch das ersetzt kein politisches Programm gegen die Klassengesellschaft
Noch heute bestärken diese Erzählungen junge Autor*innen, ihre Stimme jenseits der dominanten weißen männlichen Kultur zu erheben, die vor 40 Jahren noch maßgeblich die universitäre Hegemonie bestimmte. bell hooks’ Schriften stellten eine radikale Intervention in den akademischen Betrieb und den vorherrschenden weißen Mittelstandsfeminismus dar. 1981 veröffentlichte sie den heute zur antirassistischen Grundlagenlektüre gewordenen Text »Ain’t I a Woman? Black Women and Feminism« (»Bin ich nicht eine Frau? Schwarze Frauen und Feminismus«) und kritisiert darin die »Frauen, die, während sie Lippenbekenntnisse zu revolutionären Zielen abgaben, hauptsächlich besorgt darum waren, einen Weg in die kapitalistische patriarchale Machtstruktur zu finden«.
Wie in dieser ersten Theorieschrift analysierte bell hooks stets Race, Klasse und Gender als historisch zusammengewachsene Unterdrückungsmechanismen, die gemeinsam ein System stützten. Diesen Blick legte sie auch nicht während ihrer eigenen Lehrtätigkeit in Yale, am City College in New York und am Berea College in Kentucky ab. Reflexionen über die Möglichkeit, Studierende in Seminaren aktiv einzuladen, finden sich in »Teaching to Transgress: Education as the Practice of Freedom« (»Lehren, die Grenzen zu überschreiten: Bildung als Praxis der Freiheit«) von 1994. Ausgangspunkt ist auch hier ihre eigene Erfahrung. Als Arbeiter*innenkind waren ihr Codes und Ausdrucksweise des akademischen Bürgertums unbekannt, woraus sich ein Gefühl der Sprachlosigkeit entwickelte. Sie machte Studierende aus Arbeiter*innenfamilien Angebote, um eine eigene Stimme zu finden - entgegen den universitären Machtstrukturen.
Am 15. Dezember verstarb bell hooks im Alter von 69 Jahren. In Berea erlag sie im Kreis von Familie und Freunden einer lange währenden Krankheit. In einem Statement schreibt die Familie, sie sei geehrt angesichts der vielen Auszeichnungen, die die Verschiedene erhalten hat. »Wir sind stolz, sie einfach Schwester, Freundin, Vertraute und Einflussnehmerin zu nennen.«
In dem 2021 in Deutschland erschienenen Buch »Alles über Liebe - Neue Sichtweisen« betont die Schwarze Feministin einmal mehr die Bedeutung von solidarischen Gemeinschaften. An deren Entwurf lässt sich gewiss kritisieren, dass sie einen abgebauten Sozialstaat eher stützen, als ihn radikal infrage zu stellen. Jedoch artikuliert sich hier einmal mehr die Hoffnung auf eine radikale Veränderung der Gesellschaft. Die vielen von bell hooks berührten Autor*innen tragen diesen Anspruch weiter.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.