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Erdpyramiden und Kolossalköpfe
Die Olmeken bauten womöglich schon vor den Maya Städte und hatten Kalender
Wo und wann entwickelte sich die erste Zivilisation in Mittelamerika? Als in der Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Ruinen im Dschungel des mexikanisch-guatemaltekischen Grenzgebietes entdeckt wurden, waren sich die damaligen Forscher sicher: Es waren die Maya, die wie aus dem Nichts eine Hochkultur entwickelten. Das Mirador-Becken mit der Ruinenstätte El Mirador oder aber Kaminaljuju im Hochland von Guatemala schienen etwa 1200 v. u. Z die Ursprungsgebiete dieser Kultur zu sein. Diese Hypothese eines kulturellen Urknalls wurde im frühen 20. Jahrhundert revidiert, als westlich des Siedlungsgebietes der Maya mit der sogenannten Olmeken-Kultur eine ältere Zivilisationsphase entdeckt wurde. Deren Erdpyramiden und Kolossalköpfe manifestierten eine blühende Kultur schon 1400 Jahre v. u. Z. und ihre Träger sah man deshalb als Mutterzivilisation aller mittelamerikanischen Kulturen. Archäologen haben seitdem herausgefunden, dass deren Wurzeln in die Soconusco-Kultur reichen, noch wenigstens 1000 Jahre vorher.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Forschungen der letzten Jahre, in der großräumige LIDAR-Aufnahmen Hunderte bisher unbekannter Fundstellen aufspürten, säen Zweifel an der zeitlichen Abfolge der Kulturen. LIDAR (engl. Light Detection and Ranging) ist ein Verfahren, bei dem aus der Luft mit einem Laser der Boden abgescannt wird, um kleinste Höhenunterschiede im Gelände zu messen. Wenn diese Scans in 3D-Bilder umgerechnet werden, kann man Muster entdecken, die sonst nicht erkannt werden können: Spuren von Ruinen unter der Erde. Insgesamt untersuchte das Team von Archäologen aus Mexiko und den USA 1000 Quadratkilometer mit LIDAR und insgesamt 85 000 Quadratkilometer mittels Luftbildern. Vor wenigen Jahren wurde auf diese Weise die weiträumige Fundstätte Aguada Fénix entdeckt. Diese steht in ihren Ausmaßen vielen bekannten Maya-Fundstätten in nichts nach. Aguada Fénix, wo inzwischen Ausgrabungen begannen, ist nur wenig jünger als die olmekischen Zentren und existierte über mehrere Jahrhunderte parallel zu ihnen. Durch ihre Lage unmittelbar östlich der Olmeken-Kultur, ihre zeitliche Ausdehnung über mehrere Jahrhunderte und ihre Größe ist diese Fundstelle besonders interessant. Hier kann man die Wechselwirkungen zwischen beiden Kulturen eingehend studieren. Keramikfunde belegen Handelsbeziehungen zwischen beiden Kulturen.
Wie die einstigen Olmeken-Stätten bei San Lorenzo und La Venta weisen Aguada Fénix und zahlreiche Maya-Orte, die bis jetzt nur von Radaraufnahmen des Geländes bekannt sind, eine entwickelte Stadtplanung auf. Typisch sind rechteckige Plattformen von 200 bis 400 Metern Länge, die durch erhöhte Dämme miteinander verbunden sind. Zwischen den zentralen Plattformen lagen Ballspielplätze, auf denen rituelle Spiele ausgetragen wurden. Plattformen, aus denen später die Pyramiden hervorgingen, Dammstraßen und Ballspielplätze sind wiederkehrende Elemente, die bis zur spanischen Eroberung bei allen mittelamerikanischen Kulturen gefunden wurden.
Die Entdeckung von insgesamt 478 Ruinenstätten in den letzten Jahren hielt eine weitere Überraschung bereit. Die zentrale Plaza war jeweils auf der Nord-Süd-Achse ausgerichtet. Und die Ecken der Plattformen orientierten sich zum Sonnenaufgang der Tagundnachtgleiche von Frühling und Herbst. Erstere fällt in diesem Gebiet in der Regel mit dem Beginn der Regenzeit zusammen, wenn der Mais gepflanzt wird. Andere Gebäude sind auf den Sonnenaufgang 40, 60 und 80 Tage davor ausgerichtet. Nach Ansicht des Projektleiters ist dies kein Zufall, sondern der früheste Versuch, die landwirtschaftliche Produktion anhand eines Kalenders in Form von Monumenten zu planen. Der Abstand von 20 Tagen legt nahe, dass hier die Wurzeln des von Maya, Mixteken, Azteken und den anderen Hochkulturen Mittelamerikas benutzten Tzolk’in-Kalenders von 13 mal 20 Tagen liegen. Der Tzolk’in-Kalender ist heute noch in ländlichen Gegenden Mexikos und Guatemalas bei Maya-Bauern für die Planung von Saat und Ernte in Gebrauch.
Die neu entdeckten Maya-Städte wurden der präklassischen Phase zugeordnet und zeigen die gleiche astronomische Ausrichtung, wie sie bei den Olmeken festgestellt wurde. Die Maya der klassischen Epoche, die berühmte Stadtanlagen wie Tikal anlegten, wiederholten ihrerseits das Baumuster ihrer Vorfahren.
Auch wenn zur Geschichte der Maya und Olmeken noch viele Fragen offen sind, scheint gewiss, dass die der Olmeken einige Jahrhunderte vor der Mayakultur entstand. Die Olmeken beeinflussten dann die Maya, deren dörfliche Gemeinschaften da bereits regional organisiert waren. Paläste wie bei den Olmeken wurden jedoch bisher nicht in den frühen Maya-Stätten gefunden, sodass bei den frühen Maya eine egalitäre Gesellschaftsstruktur angenommen wird.
Unter Wissenschaftlern ist umstritten, warum die verheißungsvolle kulturelle Entwicklung der Olmeken plötzlich abbrach. Vermutet wird, dass ihnen die Lebensgrundlage durch einen verheerenden Vulkanausbruch entzogen wurde oder die Kultur durch Überbeanspruchung der agrarischen Ressourcen kollabierte. Ähnliches geschah mit der Kultur der Maya Jahrhunderte später. Auch deren Ende scheint durch eine Kombination von zu hohem Ressourcenverbrauch und Krieg herbeigeführt worden zu sein.
Alles in allem bestätigen die jetzigen Forschungen, dass die Olmeken die Vorreiter der Zivilisation in Mittelamerika waren, aber auch, dass fruchtbare Wechselwirkungen zwischen ihnen und ihren Nachbarn bestanden.
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