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»Gen-Antrieb« gegen Malaria?
Biolumne: Reinhard Renneberg über gentechnischen Mückenbekämpfung
Jedes Jahr infizieren sich 200 Millionen Menschen mit Malaria. 400 000 der Ärmsten der Armen sterben jährlich daran, vor allem kleine Kinder. Auch wenn inzwischen der erste - noch nicht sehr wirksame - Impfstoff da ist, noch ist die Bekämpfung der Überträger notwendig. Die chemische Mückenbekämpfung belastete die Umwelt und viele Mückenpopulationen sind inzwischen resistent. Ein anderer Weg war die Freisetzung von künstlich (meist mit Radioaktivität) sterilisierten Männchen, um die Vermehrung zu stoppen. Gentechnische Verfahren sollen das gleiche Ziel effektiver erreichen. »Gene Drive« (»Gen-Antrieb«) heißt die neue Methode zur beschleunigten Ausbreitung von Genen in Wildpopulationen. 2015 berichteten Ethan Bier und sein Student Valentino Gantz von der University of California San Diego über die erste erfolgreiche Anwendung des CRISPR-Gen-Antriebs beim Haustier der Genetiker, der Fruchtfliege Drosophila.
In der normalen sexuellen Reproduktion von Individuen, die zwei Kopien jedes Chromosoms tragen, bekommt jeder Nachfahre nur eine Kopie jedes Chromosoms. Damit hat jede Gen-Variante nur eine 50-prozentige Chance, vererbt zu werden. Nun gibt es aber bestimmte DNA-Sequenzen, sogenannte »egoistische« Gene, die in jeder Generation wieder auftauchen, selbst wenn das erst mal keinen Vorteil für die Nachkommen bringt. Eine 100-prozentige Wahrscheinlichkeit also.
Im Sommer 2014 schlug ein Team um George Church in Harvard einen Weg vor, mit CRISPR-Gen-Editing im Erbgut des Malaria-Erregers Plasmodium einen solchen Gen-Antrieb einzubauen. Die DNA wird mit CRISPR/cas-9 an einer ganz bestimmten Stelle (und nur dort) gespalten. Dort wird dann DNA eingebaut, die die CRISPR-DNA selber mitsamt einem neuen Gen codiert. Wie ein sich selbst programmierender Roboter in Science-Fiction-Filmen kann sich die CRISPR-DNA (mitsamt einem von Menschen ausgewählten Fremd-Gen) in neue Chromosomen integrieren, sodass ihr Anteil in einer Population anwächst.
2015 integrierten Bier und Gantz also in Kalifornien erfolgreich ein Gen für das Fehlen eines Pigments ins Genom von Drosophila. 97 Prozent der folgenden Fliegengenerationen wiesen danach eine neue, leicht gelbliche Farbe auf - im Gegensatz zum normalen braunen Ton.
In nur einem halben Jahr übertrug das Team dieses Grundprinzip auf Anopheles-Mücken. Und zwar mit einem Gen, das sie resistent gegen Plasmodium macht, den gefürchteten Malaria-Parasiten. Das lief noch besser: 99,5 Prozent effektiv! Andere Forscherteams bauten mit dem Verfahren Gene ein, die die Mücken unfruchtbar machen.
Die Freisetzung solcher genprogrammierter Insekten ist derzeit noch in den meisten Ländern untersagt. Man weiß nicht, welche fragilen Gleichgewichte in der Natur man durch die gezielte Ausrottung einer Insektenart stört.
Aus meiner Sicht ist nur Verfahren zuzustimmen, die die Mücken gegen Plasmodium resistent machen, also die Verbreitung des Erregers stoppen. Eine Ausrottung der Mücken wäre wohl keine gute Idee! Denn bei aller wissenschaftlichen Begeisterung: Vorsicht beim Öffnen der gentechnischen Büchse der Pandora … Feldversuche zeigen zudem, dass Mücken schnell auch gegen CRISPR-Manipulation resistent werden.
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