Und dann der Regen

2021 fielen in Deutschland wieder mehr Niederschläge. Wetterdienst und Forschungsinstitute ziehen eine erste Bilanz

  • Ingrid Wenzl
  • Lesedauer: 6 Min.

Nach drei sehr trockenen Jahren in Folge konnten größere Schnee- und Regenfälle dieses Jahr in Deutschland zumindest die oberen Bodenschichten wieder mit Wasser füllen. Damit hat sich die Lage in der Landwirtschaft entspannt. Entscheidend waren dabei, so der Agrarmeteorologe Andreas Brömser vom Deutschen Wetterdienst, vor allem die vielerorts sehr feuchten Sommermonate Juli und August. »Wichtig ist, dass die Niederschläge in der Vegetationsperiode fallen, da in dieser Zeit Boden und Pflanzen recht viel verdunsten«, erklärt er. »Vor allem Raps und Mais wachsen sehr schnell und verbrauchen dabei viel Wasser.«

Die Niederschläge der letzten drei Winter ordnet er als »einigermaßen durchschnittlich« ein. Für die Forstwirtschaft jedoch konnten sie nichts »rausreißen«. »Es war die Summe der drei Jahre, die die Wälder geschädigt hat«, meint Brömser. Nach Einschätzung des Klimatologen Klaus Görgen vom Institut für Bio- und Geowissenschaften am Forschungszentrum Jülich reichten die Wurzeln der Bäume während der lang andauernden Dürre 2018 zunächst noch an tiefer gelegene Wasservorräte heran, der Sommer 2019 war dann auch für sie zu trocken. Hinzu kam ein starker Borkenkäferbefall - und im Anschluss ein sehr trockenes Frühjahr.

Alle vorliegenden Waldzustandsberichte spiegeln das wider: »Auch wenn die Witterungsverhältnisse dem Wald eine Verschnaufpause gegönnt haben, ist die Lage nach wie vor besorgniserregend«, kommentiert der baden-württembergische Forstminister Peter Hauk die derzeitige Lage für sein Bundesland. Im Bericht von Sachsen-Anhalt heißt es, die Schäden seien »auch 2021 unübersehbar«. Der Vitalitätszustand habe sich seit 2017 bei allen Baumarten verschlechtert, die mittlere Kronenverlichtung befinde sich seit drei Jahren unverändert auf Höchststand. Einzig in Brandenburg ging der Anteil deutlich geschädigter Bäume etwas zurück - der der gesunden allerdings auch.

Laut Brömser waren die Niederschläge 2021 in Deutschland regional ungleich verteilt: Besonders viel Regen fiel im Rhein-Main Gebiet, im Osten Deutschlands ebenso wie im äußersten Westen, in Teilen Frankens, am Bodensee und in Oberschwaben. Am nassesten war es, wie üblich, am Alpenrand. Dabei fallen im Alpenraum und an dessen Nordrand wie auch in den Mittelgebirgen ohnehin mehr Niederschläge, da dort die Wolken an die Berge stoßen und abregnen. Im Gegenzug bekommen die windabgewandten Gebirgsregionen sowie Teile der Norddeutschen Tiefebene traditionell nur wenig Regen ab.

Die Beschaffenheit des Bodens ist ein wichtiger Faktor für seine Wasserversorgung: »In Norddeutschland, Brandenburg gibt es sehr sandige Böden, die an sich aufgrund ihres Porenvolumens viel Wasser speichern können, aber auch sehr durchlässig sind. Sie sind also keine guten Wasserspeicher in dem Sinne, dass das Wasser im Oberboden gehalten werden kann«, sagt Görgen. Deshalb ist die Bodenfeuchte in diesen Regionen geringer als bei vergleichbaren Niederschlägen auf lehmigen Böden.

Laut Brömser haben sich die Niederschlagsmengen in Deutschland im langjährigen Mittel kaum geändert, doch bei steigenden Temperaturen verdunstet mehr Wasser. Damit sind die Böden trockener geworden. Besonders hart trifft der Klimawandel Regionen wie Brandenburg, wo die Böden ohnehin schon trocken sind. Dort könne es auch ohne eine Verringerung des Niederschlags zu Dürren kommen. Die Bodenfeuchte ist dann so gering, dass Nutzpflanzen mit ihren Wurzeln nicht an genügend Wasser gelangen.

Eine vorsichtige Entwarnung für die Grundwasservorräte in Süddeutschland gibt Harald Kunstmann vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Nachdem Juli und August dort kühler und doppelt so nass ausfielen wie im Schnitt der vergangenen Jahre, haben sich in Teilen Bayerns und Baden-Württembergs die oberen Grundwasserschichten etwas stabilisiert. »Die tieferen Schichten haben von der Erholung allerdings häufig noch wenig mitbekommen«, stellt der Hydrologe fest.

In weiten Teilen Bayerns beobachtet man bereits seit 2003 eine Abnahme der Grundwasserneubildung. Laut Kunstmann sind die Gründe dafür vielschichtig und noch nicht vollständig verstanden. Unerlässlich für den Prozess seien ergiebige Schnee- und Regenfälle im Winter, wenn die Vegetation ruht. »Aufgrund der Erderwärmung gibt es immer weniger Frosttage und so immer mehr Tage, wo die Vegetation auch im Winter leicht aktiv sein kann und damit Wasser verbraucht«, erklärt er. Die Holzernte mit ihrem schweren Gerät kann ebenfalls die Neubildung von Grundwasser behindern. Indem sie den Waldboden verdichtet, kann dort weniger Niederschlag versickern.

Veränderungen im Grundwasser verlaufen sehr langsam. Das ist günstig, wenn es trocken ist, denn dann ist aus feuchteren Vorjahren noch Wasser gespeichert. Umgekehrt führen Niederschläge nach einer langen Dürre aber auch nicht sofort zu einer Erholung.

Für Verhältnisse, da im Zuge des Klimawandels das Wetter Kapriolen schlägt, entwickelte das Forschungszentrum Jülich ein interaktives Instrument, das Landwirt*innen und Gärtner*innen speziell in Trockenphasen dabei unterstützen soll, zu entscheiden, ob sie ihre Pflanzen wässern oder nicht.

Der Wasser-Monitor ging Anfang November dieses Jahres online (wasser-monitor.de). Er liefert mit einer Auflösung von circa 600 Metern aus Modellen errechnete tagesaktuelle Daten für die Bodenfeuchte sowie Prognosen für die kommenden neun Tage. Die Computermodelle beziehen dabei ebenso die Daten aktueller Wettervorhersagen wie Niederschläge, Luftfeuchtigkeit und Windgeschwindigkeit mit ein wie die jeweiligen Eigenschaften des Bodens. Daraus berechnen sie zentrale Größen im Wasserkreislauf: Verdunstungsrate, Versickerung und die gespeicherte Wassermenge im Boden. »Die hohe räumliche Auflösung der Berechnungen, der Gitterzellen des Simulationsmodells, erlaubt, all diese Daten sehr detailliert zu berücksichtigen«, sagt Görgen. Wegen der großen Datenmengen laufen die Vorhersagen des Wasser-Monitors auf den Rechnern des Jülicher Supercomputing Centre, das den zurzeit leistungsstärksten Supercomputer Europas betreibt. Trotz der hohen räumlichen Auflösung bleiben bei der Vorhersagbarkeit Unsicherheiten. Das sei der Grund, weshalb zusätzlich zum Beispiel Feldmessungen zur Bodenfeuchte an einzelnen Punkten notwendig seien.

Auch Kunstmann arbeitet mit hochauflösenden Modellen. Dabei verwendet er solche, die sämtliche hydrologischen Vorgänge im Gesamtsystem abbilden, vom Grundwasser über oberflächennahe Schichten und Landoberfläche bis in 30 Kilometer Höhe. Ergänzt werden sie durch Satellitendaten und Messungen am Boden. »Die Bodenbeobachtungen sind weiterhin extrem wichtig, um zu wissen, wie gut unsere Erdsystemmodelle funktionieren«, betont Kunstmann. Er möchte unter anderem herausfinden, wie sich Veränderungen des Klimas oder der Landnutzung auf den regionalen Wasserhaushalt auswirken. »Alles, was wir an der Oberfläche oder im Untergrund verändern, kann sich durch Rückkopplungen auch auf die Atmosphäre und damit auf die Niederschläge auswirken«, erklärt er. So untersuchen Wissenschaftler*innen des KIT in einer Studie, was es für die Niederschläge in der Sahelzone bedeutet, wenn dort im Zuge des Projektes »Green Belt« Bäume gepflanzt werden.

Für Deutschland gibt es neben dem Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) Leipzig, dem neuen Wasser-Monitor und den Niedrigwasserinformationsdiensten auch erste Einschätzungen der Klimaforschung zur Fortwirkung lang dauernder Dürren wie 2018. »Wenn es eine sehr starke Anomalie gibt, dann setzt sie sich in den Folgejahren fort«, resümiert Görgen die Ergebnisse einer Studie von Carl Hartick und Team aus dem Jahre 2020, an der er ebenfalls mitgearbeitet hat.

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