Alter weißer Merz gewinnt

Mit 62,1 Prozent setzt sich der Sauerländer bei der Mitgliederbefragung durch

Die Mitglieder der CDU sind älter und männlicher als ihre Wählerschaft. Somit gilt die Parteibasis auch als konservativer. Friedrich Merz war also schon im Vorfeld eine Favoritenstellung eingeräumt worden. Dass sich der Sauerländer mit klaren 62,1 Prozent gegenüber dem Außenpolitiker Norbert Röttgen und dem ehemaligen Kanzleramtschef Helge Braun durchsetzte, war dann aber doch überraschend. Zumal Merz mit einem deutlichen Vorsprung gewann. Der zweitplatzierte Röttgen erhielt 25 Prozent der Stimmen. Braun, dem ein guter parteiinterner Wahlkampf attestiert wurde, erhielt nur die Zustimmung von 12 Prozent der Mitglieder. An der Mitgliederbefragung hatten fast 250 000 der 400 000 CDU-Mitglieder teilgenommen. Die Partei betrachtet das als erfolgreiche Basisbeteiligung.

Nun hat es Merz also geschafft. Nachdem die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel 2018 angekündigt hatte, bei der Bundestagswahl 2021 nicht wieder anzutreten und den Parteivorsitz abgab, war Merz aus einer fast zehn Jahre andauernden Politikabstinenz zurückgekehrt und mischte im Kampf um den Vorsitz der Christdemokraten mit. Beim Hamburger Parteitag trat er gegen Jens Spahn und Annegret Kramp-Karrenbauer an. Merz unterlag in der Stichwahl gegen die ehemalige Verteidigungsministerin, die als Favoritin von Merkel galt. Die Niederlage von Merz war allerdings äußerst knapp. Er hatte 48 Prozent der Stimmen erhalten. Kein Wunder also, dass er 2020 einen weiteren Anlauf wagte. Kramp-Karrenbauer war im Zuge der Wahl des Thüringer Kurzzeit-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) und der Debatte um die Abgrenzung der CDU zur AfD vom Parteivorsitz zurückgetreten. Nach ihrem Rückzug im Februar 2020 zog sich die erneute Wahl um den CDU-Vorsitz fast ein Jahr hin. Im Januar 2021 gab es wieder eine Niederlage für Merz. Er unterlag dem damaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet. Röttgen landete auf Platz drei.

Der lange, öffentlich ausgetragene Wahlkampf reizte Merz zu allerlei erklärungsbedürftigen Aussagen. Am deutlichsten in Erinnerung geblieben sein dürfte sein Raunen über ein »Establishment« in der CDU, das ihn nicht als Vorsitzenden haben wolle. Der Rest der Geschichte ist bekannt. Laschet wurde CDU-Vorsitzender und Kanzlerkandidat. Bei der Bundestagswahl im September stürzten die Konservativen auf 24,1 Prozent der Stimmen ab und der Parteichef musste als Verantwortlicher für die Niederlage sein Amt aufgeben. Für Merz ging es jetzt, beim dritten Anlauf, um alles. Mit seiner Ankündigung erhielt er, als ständiger Verlierer, viel Spott. Bei einem vierten Wahlantritt hätte sich der 66 Jahre alte Mann aus dem Sauerland wohl der Lächerlichkeit preisgegeben. Kein Wunder also, dass er kurz vor der Bekanntgabe der Mitgliederbefragung auch erklärte, dass diese Kandidatur seine letzte sei.

Bei seiner offiziellen Präsentation Mitte November zeigte Merz, dass er aus Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. Es gab eine große Bühne mit der Botschaft #TeamCDU. Merz nahm sich selbst etwas zurück und wollte zeigen, dass er auch mit anderen kooperieren kann. Als Mitglieder seines Teams präsentierte er mit Mario Czaja einen Ostdeutschen, der dem Arbeitnehmerflügel der Christdemokraten angehört, als seinen Kandidaten für das Amt des Generalsekretärs. Dazu wurde Christina Stumpp Teil des Teams um Merz. Eine junge Frau aus Baden-Württemberg mit kommunalpolitischer Erfahrung. Stumpp soll stellvertretende Generalsekretärin werden. Das Amt gibt es in der CDU bisher nicht. Beim Online-Parteitag Mitte Januar, wo Merz von den Delegierten bestätigt werden soll, kann es aus Satzungsgründen auch nicht eingeführt werden. Das ist fraglos ein Makel bei der Präsentation von Merz, aber kein gewichtiger. Mit seinen Mitstreitern zeigt Merz, dass er verstanden hat, wo es ihm bislang an Profil fehlte. Auch bei Vorstellungen und Kandidatentalks überraschte er. Aus dem konservativen Hardliner Merz wurde der nette Onkel Friedrich. Er versprach auf einmal Frauenförderung, soziale Gerechtigkeit, eine Modernisierung der Partei und Klimaschutz. Merz sprach über Zukunftsthemen. Konservative Profilierungsversuche überließ er seinen Konkurrenten. Etwa Helge Braun, der die geplante Abschaffung des »Werbeverbots« für Schwangerschaftsabbrüche attackierte und vor Plakatwerbungen für Abtreibungen warnte. Merz hatte so etwas wohl nicht nötig. Seine Anhänger in der Union wissen, wofür er steht.

Nach der Bekanntgabe der Mitgliederbefragung am Freitagnachmittag erklärte Merz: »Ich werde selbstverständlich für die Partei in der ganzen Breite stehen und alle Themen mit behandeln, die unsere Partei als wichtig empfindet.« Er wolle die Lebendigkeit der CDU zum Ausdruck bringen und zeigen, dass sie als Volkspartei auch im 21. Jahrhundert ihren Platz habe. In seiner Wahl und der Mitgliederbefragung sieht Merz ein »Momentum«, das die Partei weit ins nächste Jahr und darüber hinaus tragen könne. Wenn man »gemeinsam gute Arbeit« mache, könne die CDU die vier Landtagswahlen im Jahr 2022 erfolgreich bestreiten. Ein Wunsch, den der bayerische Ministerpräsident Markus Söder in seinem Glückwunsch an Merz aufnahm. »Ich glaube, das ist ein wichtiges Signal von neuer Stärke. Und es soll auch ein Signal sein für mehr Zusammenarbeit zwischen CDU und CSU«, sagte der CSU-Vorsitzende der Deutschen Presse-Agentur. Nach einem »schwierigen Jahr 2021« sei es das Ziel, »mit neuer Gemeinsamkeit zu starten«. Auch der noch amtierende CDU-Vorsitzende Armin Laschet beglückwünschte Merz. Der designierte Vorsitzende habe eine »breite Rückendeckung«, twitterte Laschet und bedankte sich für »Unterstützung und Loyalität« im zu Ende gehenden Jahr.

Ganz so paradiesisch wie Merz und die CDU-Prominenz ihre Situation darstellen, ist die Lage bei den Christdemokraten allerdings nicht. Schon im Frühjahr steht die Neuwahl des Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion an. Im Gegensatz zu Röttgen und Braun hatte Friedrich Merz, der das Amt von 2000 bis 2002 schon einmal innehatte, nicht erklärt, auf diesen Posten verzichten zu wollen. Das soll bei Amtsinhaber Ralph Brinkaus gar nicht gut ankommen. Laut einem Bericht von NTV hat Brinkhaus dafür gesorgt, dass viel wichtige Positionen in der Fraktion mit Vertrauten besetzt werden. Brinkhaus habe »massiv gegen das Team Merz gearbeitet«, heißt es in dem Bericht. Von verhärteten Fronten und »systematischer Ausgrenzung« ist die Rede. Brinkhaus und Merz sollen seit mehreren Wochen nicht miteinander gesprochen haben.

Eine andere Frage ist, welche langfristige Perspektive ein Vorsitzender Merz der CDU bieten kann. In den nächsten zwei, drei Jahren mag er das konservative Profil der Partei schärfen können. Mit ihm gelingt es der Union möglicherweise, auch bei Landtagswahlen ein paar Wähler von der AfD zurückzuholen. Aber was kommt dann? Bei der nächsten Bundestagswahl im Jahr 2025 ist Merz fast 70 Jahre alt. Das ist nicht unbedingt ein Alter, in dem er für eine Kanzlerkandidatur die ideale Besetzung ist. Und auch wenn er sich jetzt als Teamplayer präsentiert hat, ist Merz nicht der Typ, der andere neben sich glänzen lässt.

In der CDU kann man jetzt also aufatmen, weil die Partei bald einen neuen Vorsitzenden haben wird. Die Konservativen können sich über die gute Beteiligung und das deutliche Ergebnis der Mitgliederbefragung freuen. Die angehäuften Probleme sind aber noch lange nicht vorbei.

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