Rekordtief bei Wahlbeteiligung

Nach dem Ausschluss der prodemokratischen Opposition boykottiert die Mehrheit der Wähler die Abstimmung

  • Alexander Isele
  • Lesedauer: 3 Min.

Die historisch schlechte Beteiligung bei den Parlamentswahlen in Hongkong war abzusehen: Nur 30,2 Prozent der wahlberechtigten Einwohner*innen gaben ihre Stimme ab, etwa 1,35 Millionen von 4,5 Millionen Stimmberechtigten. Bei der vergangenen Wahl vor fünf Jahren waren es immerhin noch 58,3 Prozent gewesen.

Wegen der mangelnden freien Wahlmöglichkeiten hatten viele Hongkonger die Abstimmung nach dem neuen, eingeschränkten Wahlsystem boykottiert. Die Bevölkerung konnte über die Besetzung von 20 der jetzt 90 Abgeordnetenmandate bestimmen – 40 wurden von einem handverlesenen und pekingtreuen Wahlkomitee ausgewählt, während 30 von Berufsständen ausgesucht wurden. Wahlen in Hongkong waren nie gänzlich frei, bei den vorangegangenen Wahlen konnten aber immerhin 35 der damals 70 Abgeordneten direkt gewählt werden. Die restlichen wurden von den Berufsständen gewählt, die überwiegend Kandidat*innen des »pro-Establishment«-Lagers bestimmten, also der Regierung in der Volksrepublik freundlich gesinnte Kandidat*innen.

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Dieses Mal wurde auch nur Kandidaten zugelassen, die in einer Prüfung als »Patrioten« eingestuft wurden. Mitglieder der kritischen Demokratiebewegung waren damit ausgeschlossen. So sicherten sich loyale Kandidaten die Mehrheit im Legislativrat.
Seit der Rückgabe der britischen Kolonie an Großbritannien 1997 wählten nie weniger Berechtigte als bei dieser Wahl, trotzdem zeigte sich Regierungschefin Carrie Lam zufrieden. Schon vor der Wahl hatte sie gesagt, dass eine niedrige Wahlbeteiligung durchaus auch als Indikator für eine gute Regierungsarbeit gedeutet werden könne, beweise dies doch, dass es keinen »Impetus« gebe, andere Abgeordnete zu wählen.

Noch vor zwei Jahren, inmitten der monatelangen Protestbewegung für mehr Demokratie und weniger Einfluss durch die Volksrepublik, gab es bei den Kommunalwahlen eine Rekordwahlbeteiligung und einen klaren Sieg des Pro-Demokratie-Lagers. Im November 2019 stimmten 71 Prozent der Wahlberechtigten ab, 17 von 18 Bezirksräte gingen an China-Kritiker.

2020 verabschiedete Peking in der Folge der monatelangen Proteste ein Sicherheitsgesetz für Hongkong. Es richtet sich vage gegen Aktivitäten, die China als subversiv, separatistisch, terroristisch oder verschwörerisch ansieht. Demnach wurden auch 47 von 55 Personen verhaftet, die 2020 an inoffiziellen Vorwahlen des demokratischen Lagers für die Parlamentswahl teilgenommen hatten. Ihnen wird »Subversion« vorgeworfen. Mit der Umsetzung des Sicherheitsgesetzes endeten auch die Massendemonstrationen für mehr Demokratie. Viele Bürgerrechtler*innen, Protestführer*innen und kritische Politiker*innen wurden verhaftet, andere setzten sich ins Ausland ab. Darüber hinaus setzte Peking die Wahlreform durch, die nur noch Patrioten zulässt.

Am Montag veröffentlichte Chinas Regierung auch ein Weißbuch zum Thema »Demokratie mit Hongkonger Besonderheiten«. Trotz der stark eingeschränkten Wahlmöglichkeiten ist darin von einer »freien, fairen, gerechten, sicheren und sauberen« Abstimmung die Rede. Das Wahlsystem in Hongkong sei »weitgehend repräsentativ«.

Zur Rückgabe der Kolonie an China am 1. Juni 1997 wurde vertraglich vereinbart, dass Hongkong für 50 Jahre unter dem Grundsatz »Ein Land, zwei Systeme« eigenständig regiert werden würde. Auch bekamen die sieben Millionen Hongkonger seinerzeit die Zusage, bis 2047 ein »hohes Maß an Autonomie« und viele politische Freiheiten genießen zu können.

Nach den Wahlen haben die USA und weitere westliche Staaten eine Aushöhlung demokratischer Strukturen in der chinesischen Sonderverwaltungszone angeprangert. In einer am Montag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung unterstrichen die Regierungen der USA, Großbritanniens, Kanadas, Australiens und Neuseelands ihre »ernste Sorge angesichts der Erosion demokratischer Elemente im Wahlsystem« Hongkongs.

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