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Franziska Giffey im Roten Rathaus gelandet
Die neu gewählte Regierende Bürgermeisterin tritt gemeinsam mit Senatoren und Senatorinnen ihr Amt an
Die vielen Besen, unter denen Franziska Giffey (SPD) am Dienstag die Treppen des Roten Rathauses hinaufschritt, waren keine Hexenbesen, sondern gehörten Angehörigen der Schornsteinfegerinnung, die eingeladen wurden, angesichts der Amtsübergabe zu signalisieren: Man wünscht der frisch gewählten Regierenden Bürgermeisterin Glück im Amt.
Anschließend ernannte Giffey ihre zehn Senator*innen. Die sechs Frauen und vier Männer nahmen im Wappensaal des Roten Rathauses ihre roten Urkundenmappen entgegen. Und das an einem 21. Dezember, wie Giffey betonte, »der Tag, an dem die Tage wieder heller werden«.
Die SPD stellt neben der Regierungschefin vier Senatsmitglieder, Grüne und Linke jeweils drei. Frauen sind im Senat mit sieben zu vier in der Mehrheit. Das war schon im alten, rot-rot-grünen Senat so, allerdings mit sechs zu fünf nicht ganz so klar.
Der bisherige Innensenator Andreas Geisel ist künftig für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen verantwortlich. Seine Nachfolgerin im Innenressort wird die stellvertretende Landesvorsitzende Iris Spranger. Der frühere Präsident der Handwerkskammer Berlin, Stephan Schwarz, ist für das Wirtschaftsressort, die Schulleiterin Astrid-Sabine Busse für das Bildungsressort verantwortlich. Bei den Grünen übernimmt Fraktionsvorsitzende Bettina Jarasch Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. Daniel Wesener ist Finanzsenator, die bisherige Gesundheitsdezernentin in Kassel, Ulrike Gote, Senatorin für Wissenschaft und Gesundheit. Bei den Linken bleibt Klaus Lederer Kultursenator. Die frühere Bundesvorsitzende Katja Kipping übernimmt Integration, Arbeit und Soziales, die Hochschulprofessorin Lena Kreck das Justizressort.
Giffey hatte zuvor bei ihrer Wahl im Abgeordnetenhaus (AGH) nicht alle Stimmen aus den Reihen der rot-grün-roten Koalition auf sich vereinen können. In geheimer Abstimmung erhielt sie 84 Ja-Stimmen bei 52 Nein-Stimmen, zwei Enthaltungen und eine ungültige Stimme. Unter den 139 anwesenden Abgeordneten waren nach Auskunft der Fraktionen 87 Parlamentarier aus dem Regierungslager von SPD, Grünen und Linken. Gleichwohl bekam Giffey zehn Stimmen mehr als nötig. Denn laut Berliner Verfassung ist ein Regierungschef gewählt, wenn die Mehrheit der Mitglieder des Abgeordnetenhauses für ihn stimmt. Da das Parlament 147 Abgeordnete umfasst, hätte Giffey also mindestens 74 Ja-Stimmen gebraucht. Acht Abgeordnete fehlten am Dienstag: drei aus der SPD, je eine*r aus den Reihen von Grünen und Linken, zwei aus der AfD und einer aus der FDP.
Zuvor hatten die scheidenden Senator*innen Michael Müller, Dilek Kalayci, Matthias Kollatz, Sandra Scheeres (alle SPD), Regine Günther, Ramona Pop (beide Grüne), Dank, Applaus und Standing Ovations erhalten. Besonders auffällig war der große Beifall für Elke Breitenbach (Linke), deren Engagement für geflüchtete Menschen herausgehoben wurde. Auch Sebastian Scheel (Linke), der nicht nur als Stadtentwicklungssenator geht, sondern auch seinen Sitz in der Fraktion niedergelegt hat, wurde gewürdigt, zumal er mit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Mietendeckel und Vorkaufsrecht in seiner kurzen Amtszeit zwei bittere Gerichtsurteile einstecken musste. In den Reihen der Opposition zeigt man sich während der Danksagung betont desinteressiert.
Vor dem Abgeordnetenhaus herrschte bereits zwei Stunden vor Stimmauszählung nicht unbedingt eine fröhliche, eher eine kämpferische Stimmung. Während die Landesspitzen von SPD, Grünen und Die Linke in der Staatsbibliothek Unter den Linden den Koalitionsvertrag unterzeichneten, standen schon seit 8.30 Uhr etwa 100 Menschen der Initiative Deutsche Wohnen & Co Enteignen vor dem Parlamentsgebäude und zeigten, was ihnen im Bezug auf die Regierungsübergabe wichtig ist: Die Berliner*innen haben im September mit deutlicher Mehrheit für eine Vergesellschaftung großer, profitorientierter Wohnungskonzerne gestimmt. Dieses Wahlergebnis findet sich allerdings nicht annähernd in einem Bekenntnis zur Umsetzung im Koalitionsvertrag wieder, der just in diesem Moment in Kraft trat. Nichtsdestotrotz schauten die Linke-Abgeordneten Niklas Schenker und Elif Eralp zusammen mit Katja Kipping und Lena Kreck bei der deutlich als Protest zu erkennenden Kundgebung vorbei.
Daneben kritisiert die Initiative die einseitige Ausrichtung des Koalitionsvertrags auf privaten Neubau. »Giffeys SPD steht mit ihrer Wohnungspolitik für eine Stadt der Reichen mit neuen Luxuslofts für Wenige statt lebenswerten Kiezen für Alle. Das SPD, Grüne und Linkspartei Frau Giffey heute zur Bürgermeisterin wählen, ist eine schallende Ohrfeige für alle Mieter*innen dieser Stadt«, erklärte Initiativensprecherin Yağmur Ekim Çay.
Der bei der Wahl im AGH anwesende Ministerpräsident Brandenburgs Dietmar Woidke (SPD) gratulierte demgegenüber Giffey mit den Worten: »Ich schätze Sie als eine überaus engagierte, klare und konsequente Streiterin für die Belange der Menschen im täglichen Leben und wünsche Ihnen eine erfolgreiche Regierungszeit«.
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