- Berlin
- Omikron-Variante
Giffey: Sind nicht am Punkt für Lockdown
Regierende Bürgermeisterin besucht Corona-Intensivstation der Charité
»Ich habe nach wie vor die Haltung, dass wir noch nicht an dem Punkt für einen Lockdown sind«, sagt die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Dienstag nach einem Besuch der Corona-Intensivstation der Charité auf dem Campus Mitte. Klar sei jedoch: »Wenn die Situation sich verschärft, müssen wir reagieren.« Es gehe um eine »Balance«. Einerseits müsse das öffentliche Leben so weit wie möglich aufrechterhalten werden, andererseits gehe es um den Gesundheitsschutz, aber auch um eine stabil funktionierende öffentliche Infrastruktur. Sie halte es auch »für elementar wichtig, dass wir den Schulbetrieb aufrechterhalten, solange es irgend geht«.
- Seit Dienstag gelten in Berlin schärfere Corona-Regeln. So wurde die maximale Teilnehmerzahl bei Kultur- oder Sportveranstaltungen auf 3000 im Freien und 2000 in geschlossenen Räumen reduziert. Es gelten grundsätzlich die 2G-plus-Regeln: Es sind also nur Geimpfte und Genesene zugelassen, die außerdem einen aktuellen negativen Coronatest vorweisen müssen. Auch das Tragen einer FFP2-Maske ist verpflichtend. Bei allen anderen Veranstaltungen dürfen draußen maximal 1000, drinnen bis zu 200 Menschen zusammenkommen.
- Private Zusammenkünfte für Geimpfte und Genesene sind drinnen wie draußen nur noch mit maximal zehn Personen erlaubt. Kinder bis 14 sind davon ausgenommen. Für Treffen mit Ungeimpften gibt es schon seit einiger Zeit Beschränkungen, die weiter gelten: Hier dürfen lediglich die Angehörigen des eigenen Haushalts sowie höchstens zwei Personen eines weiteren Haushaltes zusammenkommen.
- Waren sogenannte Tanzlustbarkeiten bislang nur in geschlossen Räumen untersagt, so gilt das Verbot nun auch im Freien. dpa/nd
Diesen Mittwoch soll der Berliner Krisenstab zusammenkommen, so sei es mit der Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) verabredet, erklärt Giffey. Denn angesichts möglicher Krankenstände von bis zu 30 Prozent infolge der Ausbreitung der deutlich infektiöseren Omikron-Variante des Coronavirus müsse darüber beraten werden, wie die Daseinsvorsorge gesichert werden kann.
Der Charité-Vorstandsvorsitzende Heyo Kroemer erklärt, dass es »auf den ersten Blick« derzeit eine leichte Entspannung gebe. »Auf dem Höhepunkt der Weihnachtswelle hatten wir über 160 Intensivpatienten hier bei uns, was dazu geführt hat, dass wir viele andere Dinge gleichzeitig nicht mehr machen konnten. Mittlerweile sind wir etwa bei 80«, so der Chef des Berliner Universitätsklinikums. Hauptsächlich handele es sich um Patienten aus Berlin sowie einige aus Brandenburg. Aus weiter entfernten Bundesländern oder sogar anderen Staaten, wie das während der ersten Pandemiewelle der Fall war, liege derzeit niemand auf der Intensivstation, berichtet Kroemer. Es sei aber »immer noch eine ganz erhebliche Belastung für die Leute, die bei uns arbeiten«. Sie seien schließlich »seit März letzten Jahres ununterbrochen im Einsatz«.
Vielleicht ist das der Grund, warum der klinikeigene Wachschutz vor und während der Pressekonferenz auf dem Krankenhausgelände von allen Passanten, die unterwegs sind, noch einmal die Berechtigungen sehen will. Spontane Unmutsbekundungen über die Lage der Beschäftigten wären zumindest nicht verwunderlich.
Franziska Giffey zeigt sich »sehr beeindruckt, dass eben so wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier tatsächlich krankgemeldet sind«. Laut Heyo Kroemer liegt der Krankenstand derzeit bei rund sieben Prozent, nicht höher als zu normalen Zeiten.
Die Regierende Bürgermeisterin berichtet auch über ihre Eindrücke auf der Station. »Und dann liegen sie hier«, sagt Giffey. Sie meint die vielen Ungeimpften, bei denen die Covid-19-Infektion so schwer verläuft, dass eine intensivmedizinische Behandlung notwendig wird. Die große Mehrheit von ihnen, so Giffeys Erkenntnis beim Besuch, habe die Impfung einfach versäumt und verpasst, »weil sie dachten: Es ist einfach nicht so dringend.« Die Regierende appelliert: »Lassen Sie sich impfen! Man kann es immer wieder nur sagen.«
Mit einem Ausblick auf das, was die Verbreitung der Omikron-Variante in Berlin bedeuten könnte, tut sich Heyo Kroemer schwer. Es treibe ihn zwar um, was in den nächsten Wochen passieren wird. »Wenn man ehrlich ist, wissen wir es nicht ganz genau«, so der Vorstandschef. Omikron sei deutlich ansteckender als alle bisherigen Varianten, davon gehe man derzeit aus. Die Daten der letzten Tage deuteten jedoch darauf hin, »dass es möglicherweise einen leichteren Verlauf des Krankheitsbildes gibt, sodass die Nettoeffekte, inwieweit sich die erhöhte Inzidenz in irgendeiner Form ausgleicht mit leichteren Krankheitsverläufen, sehr schwer abzuschätzen sind«. Man sei aber »vorbereitet auf das, was jetzt kommt«.
Die Omikron-Variante breitet sich derweil weiter in der Region aus. In Berlin sind laut Bericht des Robert-Koch-Instituts am Dienstag 67 Fälle nachgewiesen, 25 mehr als am Montag, die Verdachtsfälle stiegen gegenüber dem Vortag um 229 auf 354. In Brandenburg sind inzwischen 18 Fälle nachgewiesen (plus 3); einen Verdacht auf eine Infektion mit der Omikron-Mutation gibt es bei 140 Menschen, 43 mehr als am Montag.
»Wir wissen, die Zahl der Fälle wird irgendwann wegen der erhöhten Ansteckungsfähigkeit mit einem Knall nach oben schnellen«, sagt Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). »Alle Krankenhäuser sind alarmiert, dass sie möglicherweise Reservepersonal aktivieren. Wir werden auch nachdenken müssen, für medizinisches Personal, das ohne Symptome infiziert ist, wieder die Quarantäne zu verkürzen«, so Nonnemacher weiter.
Im Potsdamer Klinikum Ernst von Bergmann rechnet man aufgrund erster Modellierungen mit steigenden Hospitalisierungszahlen ab Mitte bis Ende Januar, so der Sprecher der Geschäftsführung, Hans-Ulrich Schmidt. Zu den besten Vorbereitungen zählt die Klinik einen Anteil zweifach geimpfter Mitarbeiter von über 90 Prozent sowie Booster-Impfungen. Zudem würden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anderer Bereiche trainiert, um vor allem auf Covid-Intensivstationen zu helfen, wenn dort Personal ausfalle.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.