- Wirtschaft und Umwelt
- Chemieunfall in Leverkusen
Gift in den Rhein geleitet
Nordrhein-westfälische Landesregierung verlangt stabiles Sicherheitsmanagement nach Explosion in Leverkusener Chempark
Nach der Explosion im Leverkusener Chempark am 27. Juli, bei der sieben Menschen ums Leben kamen und 31 zum Teil schwer verletzt wurden, ist kurz vor Weihnachten bekannt geworden, dass die Betreiberfirma Currenta Giftstoffe in den Rhein geleitet hat. Darauf reagieren jetzt auch die nordrhein-westfälische Landesregierung und die Bezirksregierung Köln.
Initiativen wie die Coordination gegen Bayer-Gefahren und Umweltorganisationen befürchteten lange, dass es nach der Explosion in der Sondermüllverbrennungsanlage mit »Business as usual« weitergehen würde. Die Kölner Bezirksregierung etwa wollte auf ein neues Genehmigungsverfahren verzichten, damit die Anlage schnell wieder in Betrieb gehen kann. Marius Stelzmann von der Coordination gegen Bayer-Gefahren war sich sicher: »Die Profitmaschinerie soll möglichst schnell wieder ans Laufen kommen, ohne Rücksicht auf Verluste. Das ist die Katastrophe nach der Katastrophe.«
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Doch dazu wird es erst einmal nicht kommen. Nachdem der Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) mit einer Anfrage herausgefunden hatte, dass der Rhein eine höhere Belastung an Giftstoffen aufweist, hatte auch der WDR recherchiert. Das Ergebnis: Unter anderem sind 60 bis 70 Kilogramm des Insektengiftes Clothianidin in den Rhein gelangt. Der BUND-Gewässerexperte Paul Kröfges kritisiert: »Dabei hatten sowohl Currenta als auch die Behörden nach außen den Anschein erweckt, das schadstoffbelastete Löschwasser könnte zurückgehalten werden.« Der BUND kritisiert weiter, dass die Messergebnisse des Rheinwassers erst mit Verzögerung in einem der Öffentlichkeit zugänglichen System hinterlegt wurden und die Brisanz der Messwerte nicht erkannt worden sei. Verärgert sind darüber Vertreter auch niederländischer Wasserwerke. Internationale Vereinbarungen verlangen eigentlich, dass solche Messergebnisse unverzüglich mitgeteilt werden.
Dass hier ein Umweltskandal auf sie zurollt, hat mit einiger Verzögerung auch die nordrhein-westfälische Landesregierung verstanden. Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) machte nun ein »stabiles Sicherheitsmanagement« zur Voraussetzung für die Wiederinbetriebnahme der Sondermüllverbrennungsanlage. Dazu gehöre auch eine »zügige und lückenlose« Aufklärung »der Umstände aktueller Gewässereinleitungen«.
Nach der Explosion war über fünf Monate ein Gemisch aus Abwasser, Löschwasser und Havarie-Abwasser aus einem beschädigten Tank in den Rhein geleitet worden. Das belastete Wasser durchfloss dabei zwar eine Kläranlage, aber nicht die dafür vorgeschriebene Aktivkohlefilterung. Die Bezirksregierung Köln hält diese »ungenehmigte Einleitung« für »nicht tolerierbar«. Sie will die Staatsanwaltschaft Köln bitten, die Einleitung eines Verfahrens wegen des Straftatbestands einer Schädigung des Gewässers zu prüfen. Ein unabhängiges Expertenteam, das derzeit das Sicherheitsmanagement bei Currenta überprüft, soll nun zusätzlich zum Abfallmanagement auch das Abwassermanagement untersuchen. In einer Stellungnahme vom 24. Dezember erklärte Currenta: »In sämtlichen bisher vorliegenden Analysen wurden die Überwachungswerte verlässlich unterschritten.« Das Unternehmen kündigte an, engmaschiger Proben zu nehmen.
Der BUND ist der Meinung, dass sich vor einem Wiederaufbau der Müllverbrennungsanlage zahlreiche Sicherheitsfragen stellen. Um einen Teil davon zu klären, hat die Umweltorganisation zahlreiche Anfragen nach dem Umweltinformationsgesetz eingereicht. Der Wasserexperte Paul Kröfges sieht aber auch den Landtag gefordert, an der »lückenlosen Aufarbeitung des Störfalls mitzuwirken«.
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